Die Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten hatten in dem vom BGH hier entschiedenen Fall keine Einzelheiten zu dem behaupteten Berufungsauftrag und zu den von ihnen entfalteten Tätigkeiten vorgetragen. Dies spricht dafür, dass die Anwälte entweder tatsächlich keinen Berufungsauftrag hatten oder keine die Verfahrensgebühr nach Nr. 3200, 3201 VV-RVG auslösenden Tätigkeiten entfaltet hatten. Gleichwohl bedarf die Entscheidung einiger Anmerkungen.
1. Anfall der Verfahrensgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV-RVG, die der BGH an keiner Stelle der Beschlussgründe aufgeführt hat, entsteht die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information." Für den Anfall der – ermäßigten – Verfahrensgebühr in der Rechtsmittelinstanz genügen somit die Entgegennahme der Information von dem Mandanten und/oder das Betreiben des Geschäfts. Nur diejenigen Tätigkeiten des im Rechtsmittel beauftragten Anwalts lösen die Verfahrensgebühr nicht aus, die das Gesetz in § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch zum Gebührenrechtszug der Vorinstanz zählt. Hierzu gehören etwa die Empfangnahme der erstinstanzlichen Entscheidung oder der Berufungsschrift des Gegners und ihre Mitteilung an den Auftraggeber. Zutreffend weist der BGH hier darauf hin, dass somit bereits die im Rahmen des Rechtsmittelauftrags erfolgte Prüfung des Anwalts, ob eine Tätigkeit veranlasst sei oder er einen Rat erteile, im Berufungsverfahren die Verfahrensgebühr auslöst. Der V. ZS des BGH RVGreport 2005, 275 (Hansens), auf den sich hier der IX. ZS des BGH bezogen hat, hat hierzu ausgeführt:
"Hierzu genügt grds. die Empfangnahme der von dem Gericht mitgeteilten Beschwerdeschrift, weil als glaubhaft gemacht angesehen wird, dass der Anwalt anschließend pflichtgemäß geprüft hat, ob etwas für seinen Mandanten zu veranlassen ist. ( … ) Ist hingegen von einer Beauftragung des Anwalts auszugehen, sind weder die Entstehung noch die Erstattung der Beschwerdegebühr von dem Nachweis eines besonderen Interesses oder einer erkennbar gewordenen Beteiligung am Ablehnungsverfahren abhängig."
Auch der II. ZS des KG (JurBüro 2009, 261 = AGS 2009, 354) hat unter Hinweis auf die vorgenannte Entscheidung des V. ZS des BGH entschieden, es genügt für den Anfall der Verfahrensgebühr die nach Entgegennahme der Rechtsmittelschrift zu unterstellende Prüfung, ob etwas für den Mandanten zu veranlassen war.
Demgegenüber hat der IX. ZS des BGH seine Entscheidung u.a. darauf gestützt, dass der Bekl. eine Prüfung des gegnerischen Schreibens durch seinen Rechtsanwalt nicht behauptet habe. Insoweit ist der IX. ZS des BGH von der vorstehend zitierten Entscheidung des V. ZS des BGH abgewichen, ohne dies zumindest zu erwähnen.
2. Verhaltensweise des Prozessbevollmächtigten
Um den Anfall der Verfahrensgebühr im Rechtsmittelverfahren möglichst frühzeitig aktenkundig zu machen, wodurch dann weiterer Vortrag im Kostenfestsetzungsverfahren entbehrlich wird, empfiehlt sich, wie folgt vorzugehen: Zeitnah nach Zugang der Rechtsmittelschrift sollte der Berufungsanwalt – möglichst noch per Telefax – beim BG einen Berufungszurückweisungsantrag stellen. Aus diesem Schriftsatz wird einmal deutlich, dass der Berufungsbeklagte ihn mit der Vertretung im Berufungsverfahren beauftragt hat. Zwar ist nicht auszuschließen, dass der Anwalt ohne entsprechenden Auftrag tätig geworden ist. Jedoch wird nach meinen Erfahrungen bei Vorliegen eines Schriftsatzes praktisch nie bestritten, dass dem auch ein entsprechender Berufungsauftrag zugrunde gelegen hat. Zum zweiten ergibt sich aus dem Einreichen des Schriftsatzes, zu welchem Zeitpunkt, nämlich spätestens an dem Tag, unter dem der Anwaltsschriftsatz datiert ist, der Auftrag erteilt worden ist. Dies kann von Bedeutung sein, wenn die Berufungsrücknahme zeitlich nach diesem Datum eingeht. Dann ist aktenkundig, dass der Berufungsbeklagte von der zeitlich danach erfolgten Berufungszurücknahme noch keine Kenntnis haben konnte.
Außerdem löst das Einreichen des Berufungszurückweisungsantrags die volle, hier die 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV-RVG, aus. Damit ist jegliche weitere Diskussion über die vom Anwalt des Berufungsbeklagten entfalteten weiteren Tätigkeiten entbehrlich. Im Falle der Berufungszurücknahme einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung ist dann allerdings nur die ermäßigte Verfahrensgebühr erstattungsfähig, weil das Einreichen des Berufungszurückweisungsantrags zu diesem Zeitpunkt und auch später nicht notwendig war. Gleichwohl ist mit diesem Schriftsatz die anwaltliche Tätigkeit aktenkundig belegt, sodass dann die 1,1 Verfahrensgebühr erstattungsfähig ist.
Der BGH musste sich nicht mit der Frage befassen, welche erstattungsrechtlichen Folgen die vom Berufungsführer gegenüber den Gegenanwälten geäußerte Bitte hat, sich vorerst nicht zu bestellen hat. Die mit einem solchen "Stillhalteabkommen" zusammenhängenden Fragen habe ich in RVGreport 2012, 328 mit Musterschreiben erörtert. Die Entgegennahme und Weiterleitung der Bitte, sich nicht zu bestellen, lö...