Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen, jedoch hat das OLG den Erstattungsanspruch des AG nicht zutreffend ermittelt.

1. Anfall der Verfahrensgebühr nach dem Hauptsachewert

Das OLG Hamm hat nicht erörtert, ob den Verfahrensbevollmächtigten des AG für das Einreichen des Schriftsatzes v. 14.3.2012 die geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr nach dem Wert der Hauptsache gem. Nr. 3100 VV-RVG überhaupt angefallen war. Das ist zu verneinen. Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV-RVG entsteht die Verfahrensgebühr "für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information". Daraus ergibt sich jedoch nicht, nach welchem Gebührensatz die betreffende Verfahrensgebühr entstanden ist. Da es sich hier um ein Verfahren vor dem FamG im ersten Rechtszug gehandelt hat, gelten die Vorschriften von Teil 3 Abschn. 1 VV-RVG. Danach fällt nach Nr. 3100 VV-RVG eine 1,3 Verfahrensgebühr an. Diese Bestimmung muss jedoch im Zusammenhang mit der Vorschrift der Nr. 3101 Nr. 1 VV-RVG gesehen werden. Danach erhält der Anwalt nur eine 0,8 Verfahrensgebühr, wenn sein Auftrag endigte, bevor er eine der dort aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt hat. Zu den somit die volle Verfahrensgebühr auslösenden Tätigkeiten gehört das Einreichen eines verfahrenseinleitenden Antrags oder eines Schriftsatzes mit Sachanträgen oder Sachvortrag. Nach dem mitgeteilten Sachverhalt hat der Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten des AG lediglich zwei Anträge bzw. Anzeigen enthalten:

die Vertretungsanzeige, die nicht zu den Sachanträgen gehört (so OLG Bamberg JurBüro 1984, 403) sowie
die Anzeige der Verteidigungsabsicht, die ebenfalls keinen Sachantrag i.S.v. Nr. 3101 Nr. 1 VV-RVG darstellt (so OLG Düsseldorf BRAGOreport 2002, 41 (Hansens) für die Prozessgebühr nach den §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 32 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO).

Damit war den Verfahrensbevollmächtigten ohnehin nur eine 0,8 Verfahrensgebühr nach dem Hauptsachewert gem. Nr. 3101 Nr. 1 VV-RVG angefallen, weil ihr Auftrag endigte, bevor sie eine der in dieser Vorschrift erwähnten Tätigkeiten erbracht hatten.

2. Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr

Die somit nur angefallene 0,8 Verfahrensgebühr konnte frühestens bei einer etwaigen im Zusammenhang mit der Auftragserteilung erfolgten Information der Anwälte am 9.3.2012 entstanden sein. Zu diesem Zeitpunkt war mit Eingang der Antragsrücknahme bei Gericht am 6.3.2012 die Rechtsverteidigung objektiv nicht mehr notwendig. Ob für die Erstattungsfähigkeit von Kosten des Rechtsstreits ein objektiver Maßstab überhaupt anzulegen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten:

Nach einer Auffassung beurteilt sich die Notwendigkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allein nach einem objektiven Maßstab. Danach ist die Verfahrensgebühr selbst dann nicht erstattungsfähig, wenn der Gegner die Rücknahme des Antrags nicht kannte oder kennen musste (so BGH RVGreport 2007, 348 (Hansens) = AGS 2007, 477 für das Einreichen einer Schutzschrift nach Rücknahme des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung; OLG Brandenburg RVGreport 2010, 194 (ders.) für das Einreichen eines Berufungszurückweisungsantrags in Unkenntnis der zwischenzeitlich erfolgten Berufungszurücknahme; OLG Düsseldorf RVGreport 2009, 22 (ders.) = AGS 2008, 623 für den Klageabweisungsantrag im Falle der zwischenzeitlichen Klagerücknahme).
Nach der Gegenauffassung ist allein auf die subjektive Sicht abzustellen. Danach sind die Kosten des Beklagten oder AG bzw. Rechtsmittelbeklagten Rechtsmittelgegners auch dann erstattungsfähig, wenn weder ihm noch seinem Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten im Zeitpunkt der die Verfahrensgebühr auslösenden Tätigkeit bekannt war oder bekannt sein musste, dass die Klage, der Antrag bzw. das Rechtsmittel bereits zurückgenommen war (so KG JurBüro 1974, 1271 und NJW 1975, 125; OLG Hamburg JurBüro 1998, 303; OLG Köln JurBüro 1991, 930 und JurBüro 1995, 641; OLG Naumburg JurBüro 2003, 419 = AGS 2003, 324 mit Anm. N. Schneider; OLG Frankfurt JurBüro 1983, 83; OLG Oldenburg JurBüro 1987, 682 für die Rücknahme eines Verfügungsantrags; OLG Celle RVGreport 2010, 195 (ders.); OLG München AnwBl. 1985, 44 und RVGreport 2011, 29 (ders.) = zfs 2011, 169 mit Anm. Hansens = AGS 2011, 44).

Das OLG Hamm hat sich m.E. zu Recht der zuletzt genannten Auffassung angeschlossen. Die Gegenauffassung, die die Notwendigkeit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung allein objektiv beurteilt, verlagert das Kostenrisiko allein auf die erstattungsberechtigte Partei. Diese kann nämlich auch bei sorgfältigster Verfahrensweise nicht verhindern, dass ihrem Prozess- bzw. Verfahrensbevollmächtigten durch die Entgegennahme der Information die ermäßigte Verfahrensgebühr anfällt, obwohl dies objektiv nicht mehr notwendig war. Selbst wenn hier der AG vor Erteilung des Verfahrensauftrags beim FamG angerufen hätte, ob dort eine Antragsrücknahme vorliegt, wäre nicht sichergestellt, dass ihm die zutreffende bejahende Auskunft erteilt worden wäre, etwa weil sich die Akte gerade zur Zustellung des Rücknahmeschriftsatze...

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