Die Entscheidung des LAG Köln beruht auf einer Verkennung der Gebührensystematik und ist folgerichtig falsch. Das LAG Köln war sich seiner Sache so sicher, dass es für seine Auffassung noch nicht einmal Rechtsprechungs- oder Literaturnachweise bemüht hat. Solche zu finden, wäre sicherlich auch schwergefallen. Das LAG hat gegen seine Entscheidung auch nicht die Rechtsbeschwerde zugelassen, so dass die unrichtige Entscheidung auch nicht vom BAG korrigiert werden kann.
Anfall der Verfahrensgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG entsteht dem Rechtsanwalt, dem ein unbedingter Auftrag als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter erteilt worden ist, die Verfahrensgebühr zu für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Somit sind die Ausführungen des LAG Köln, die Verfahrensgebühr entstehe mit dem Auftrag des Mandanten, so nicht ganz richtig, da neben der passiven Entgegennahme des entsprechenden Auftrags auch noch irgendeine Anwaltstätigkeit erforderlich ist, mag sie auch noch so geringfügig sein. Richtig sind wieder die Ausführungen des LAG, dass die Verfahrensgebühr dann entsteht, wenn der Rechtsanwalt in Erfüllung seines Auftrags in irgendeiner Weise tätig geworden ist. Dabei muss der Rechtsanwalt seine Tätigkeit nicht – wie es beim LAG anklingt – in dem betreffenden gerichtlichen Verfahren entfalten. Auch außergerichtliche Tätigkeiten im Rahmen des Prozessauftrags lösen die Verfahrensgebühr aus. Hierzu gehört bereits die Entgegennahme der Information oder die Beratung des Mandanten (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 25. Aufl. 2021, Vorbem. 3 Rn 43). Folglich kann dem Rechtsanwalt die Verfahrensgebühr auch dann anfallen, wenn er gegenüber dem Gericht in keiner Weise tätig geworden ist.
Vorliegend waren die Prozessbevollmächtigten der Beklagten sogar gegenüber dem Gericht insoweit tätig geworden, als sie den Bestellungsschriftsatz vom 23.10.2019 beim BAG eingereicht hatten.
Höhe der Verfahrensgebühr
Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG regelt allgemein, durch welche Tätigkeiten dem Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigten die Verfahrensgebühr anfällt. In welcher Höhe und unter welchen weiteren Voraussetzungen diese Gebühr entsteht, bestimmt sich nach den Gebührentatbeständen im VV RVG. Vorliegend kam es hier auf die Regelung in Nr. 3506 VV RVG an, wonach die Verfahrensgebühr für das Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision mit einem Gebührensatz von 1,6 anfällt. Diese Gebührenvorschrift muss jedoch im Zusammenhang mit Nr. 3507 VV RVG gesehen werden, wonach die Verfahrensgebühr 3506 VV RVG bei einer vorzeitigen Beendigung des Auftrags nur mit einem Gebührensatz von 1,1 entsteht. Nach der Anm. in Nr. 3507 VV RVG ist die Anm. zu Nr. 3201 VV RVG entsprechend anzuwenden. Diese Vorschrift regelt die Ermäßigung der in Nr. 3200 VV RVG geregelten Verfahrensgebühr, für die ebenfalls ein Gebührensatz von 1,6 bestimmt ist.
Das LAG Köln hat die Regelung in Abs. 1 Nr. 1 der Anm. zu Nr. 3201 VV RVG falsch angewandt. Diese Vorschrift bestimmt, dass eine vorzeitige Beendigung mit dem Eintritt der Gebührenermäßigung dann vorliegt, wenn der Auftrag des Rechtsanwalts endet, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvorträge usw. enthält, eingereicht hat. Der Rechtsanwalt muss also mindestens eine der in der Anm. zu Nr. 3201 VV RVG (für das Rechtsmittelverfahren) oder in Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG (für die erste Instanz) aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt haben, um die volle Verfahrensgebühr zu verdienen. Endet sein Auftrag vorher, fällt nur die ermäßigte Verfahrensgebühr an. Dabei ist das Wort "bevor" nicht allein als zeitliche Bestimmung anzusehen. Wird nämlich der Rechtsanwalt erst nach Beendigung des Rechtsstreits zum Prozessbevollmächtigten bestellt, um etwa die Urteilsausfertigung entgegenzunehmen und das Kostenfestsetzungsverfahren zu betreiben, würde nach dem Gesetzeswortlaut stets die volle Verfahrensgebühr anfallen. Sein Auftrag endet nämlich wegen der späten Auftragserteilung gerade nicht, bevor er eine der in den Ermäßigungsvorschriften aufgeführten Tätigkeiten ausgeübt hat. Deshalb ist das Wort "bevor" eher im Sinne von "ohne dass" zu verstehen (LG Berlin JurBüro 1984, 1034 zu § 32 Abs. 1 BRAGO). Endet somit der Prozess- oder Verfahrensauftrag, ohne dass der Rechtsanwalt eine der in den Ermäßigungsvorschriften bestimmten Tätigkeiten ausgeübt hat, kann er nur die ermäßigte Verfahrensgebühr abrechnen.
So war dies auch im Fall des LAG Köln. Der Auftrag der Prozessbevollmächtigten des Beklagten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren endete mit Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Rechtsanwälte im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren keine der in der Anm. zu Nr. 3201 VV RVG aufgeführten Tätigkeiten entfaltet. Daraus folgt, dass den Anwälten die volle Verfahrensgebühr nicht entstanden war.
Bei der Anwendung dieser Vorschrift liegt das LAG Köln nur insoweit richtig, als die Rechtsanwälte des Beklagten in der Tat nicht...