Es stellt sich dann allerdings die Frage nach dem Umfang bzw. der Länge der Schadensersatzverpflichtung.
Eine besondere konstitutive Schwäche des Geschädigten schließt eine Ersatzpflicht nicht aus. Es ist aber zu prüfen, ob wegen dieser Veranlagung des Geschädigten ein vergleichbarer Anlass in absehbarer Zeit zu denselben gesundheitlichen Beschwerden geführt hätte. Bei unfallunabhängiger psychischer Labilität des Geschädigten, welche die Unfallfolgen mit verursacht, sind sowohl das Schmerzensgeld als auch der materielle Schadensersatz zu reduzieren. Bei latenter Schadengeneigtheit des Geschädigten/erheblichen Vorschäden ist im Rahmen des § 287 ZPO zu prüfen, ob eine Regulierung über die gesamte Laufzeit bzw. normale Kapitalisierung vorzunehmen ist, oder ein Abschlag (Laufzeit/Höhe/Quote) zum Ausgleich des Risikos fiktiven anderweitigen späteren Schadeneintritts zu erfolgen hat. Dies wird häufig der Fall sein. Es gibt keinen Automatismus einer Verdienstschadenerstattung bis zum 65./67. Lebensjahr; künftige Lebensrisiken sind bereits bei der Schadensbemessung/-schätzung zu berücksichtigen.
In den Rentenfällen, in denen für den Fortfall oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Unfallopfers Ersatz zu leisten ist, sind auch hypothetische Entwicklungen immer zu beachten, denn ein einmal eingetretener Verletzungserfolg kann nicht dazu führen, dass der Geschädigte – im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung – eine absolut krisenfeste Position erhält. Dies würde im Ergebnis eine Überkompensation seines Schadens darstellen. Gerade in Krisenbranchen, in denen die Arbeitsplätze gefährdet sind, kann der Geschädigte nur so gestellt werden, wie er ohne den Unfall stehen würde – nämlich belastet mit einem unsicheren Arbeitsplatz. Dieses Risiko trifft in der heutigen Zeit sehr viele Branchen – nicht zuletzt auch die Versicherungen. Jüngstes Beispiel für entsprechende – und durchaus überraschende – berufliche Risiken ist das NOKIA-Werk in Bochum.
Neben diesem volkswirtschaftlichen bzw. branchentypischen Risiko sind auch die individuellen Zukunftsrisiken des Geschädigten zu berücksichtigen. Hier geht es um die sog. Reserveursachen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen solchen Ereignissen, die sich nach dem ursprünglichen Schadensereignis tatsächlich verwirklicht haben, jedoch keinen weitergehenden Schaden als den bereits eingetretenen mehr anrichten konnten (wie beim Folgeunfall eines bereits totalbeschädigten Fahrzeuges, so auch bei einem weiteren Unfall eines bereits auf Grund des Erstunfalles zu 100 % erwerbsunfähigen Unfallopfers). Diese erste Gruppe ist rechtlich irrelevant.
Außerdem gibt es aber Reserveursachen, die tatsächlich nicht eingetreten sind, sich allerdings ereignet hätten, wenn sich der Schaden nicht bereits schon verwirklicht hätte. Die Beweislast für die zweite Gruppe (Art, Zeitpunkt und Umfang) trifft den Schädiger. Dies ist hinsichtlich der Auswirkungen, insbesondere aber auch hinsichtlich des Zeitpunktes des gerade nicht eingetretenen Ereignisses allerdings äußerst schwierig.
Ein Schädiger haftet grundsätzlich auch für seelisch bedingte Folgeschäden einer Verletzungshandlung einschließlich einer neurotischen Fehlverarbeitung. Beruht diese psychische Fehlverarbeitung auf einer Auffälligkeit des Verletzten oder einer Vorschädigung, entlastet dies den Schädiger dem Grunde nach nicht. Derartige Umstände sind jedoch nach der Rechtsprechung bei der Bemessung der Höhe des Schadensersatzes zu berücksichtigen und rechtfertigen eine Anspruchskürzung. Die Haftung eines Schädigers findet eine zeitliche Begrenzung, wenn der durch den Unfall ausgelöste Schaden auf Grund von Vorschäden auch ohne den Unfall früher oder später eingetreten wäre.
Die besonderen psychischen Gegebenheiten und in diesem Rahmen auch etwaige in der neurotischen Entwicklung mitwirkende Begehrensvorstellungen sind für die Bemessung des Schadens nach § 287 ZPO zu berücksichtigen. Bei besonderer konstitutiver Schwäche des Verletzten wird die Ersatzpflicht des Verletzten nicht ausgeschlossen, aber es ist zu prüfen, ob wegen dieser Veranlagung des Geschädigten ein vergleichbarer Anlass in absehbarerer Zeit zu denselben gesundheitlichen Folgen geführt hätte. Dem Schädiger kommt insoweit die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zugute, so dass im Ergebnis ein prozentualer Abschlag von dem rein rechnerischen Schaden angemessen ist. Der BGH sieht diese Überlegungen somit nicht als Fall der überholenden Kausalität, sondern als Frage der Schadensbemessung – innerhalb der Schätzung nach § 287 ZPO – an. Beim Schmerzensgeld ist ohnehin anerkannt, dass bei Auswirkungen einer unfallunabhängigen Schadenanfälligkeit der Entschädigungsbetrag zu reduzieren ist. Bei unfallunabhängiger psychischer Labilität des Geschädigten, die die Unfallfolgen mit verursacht, ist sowohl das Schmerzensgeld als auch der materielle Schaden zu reduzieren. Bei der Bemessung des Verdienstausfalles ist eine Prognose erforderlich, die auch das Risiko mit einbezieht, da...