StVG §§ 3 Abs. 1 Satz 1; 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3; FeV §§ 46 Abs. 1 Satz 1 u. 2, Abs. 3; 11 Abs. 7; FeV Anlage 4 Nr. 9.2.2
Die Annahme eines Unvermögens zum Trennen von Cannabiskonsum und Fahren bzw. Cannabis- und Alkoholkonsum i.S.d. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung setzt voraus, dass der anlässlich einer Verkehrskontrolle im Blut festgestellte THC-Wert den Rückschluss auf fehlendes Trennungsvermögen erlaubt. Ein THC-Wert im Spurenbereich von 0,5 Nanogramm/ml ist zum Nachweis einer Teilnahme am Straßenverkehr unter einem die Fahrtüchtigkeit einschränkenden Einfluss von Cannabis zu gering und daher regelmäßig nicht geeignet, ein fehlendes Trennungsvermögen zu belegen.
OVG des Saarlandes, Beschl. v. 8.1.2010 – 1 B 493/09
Aus den Gründen:
“Nach den §§ 3 Abs. 1 Satz 1 StVG, 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn der Inhaber einer Fahrerlaubnis sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.
Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ist davon auszugehen, dass sich die Einschätzung des Antragsgegners, die Nichteignung des Antragstellers stehe i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV fest, im Hauptsacheverfahren im Ergebnis als zutreffend erweisen wird.
Zwar ist dem Antragsteller darin zuzustimmen, dass der Vorfall vom 23.6.2009 für sich genommen nicht zum Nachweis des Vorliegens der Voraussetzungen des § 11 Abs. 7 FeV i.V.m. Nr. 9.2.2 und der Vorbemerkung Nr. 3 der Anlage 4 zur FeV geeignet ist (1.). Dessen ungeachtet steht aber unter Berücksichtigung der fahrerlaubnisrelevanten Vorverurteilungen des Antragstellers fest, dass dieser i.S.d. § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften bzw. Strafgesetze verstoßen und sich dadurch als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen hat (2.).
1. Nach den §§ 46 Abs. 1 und 3, 11 Abs. 7 FeV wird die Fahrerlaubnis ohne vorherige Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens entzogen, wenn die Nichteignung des Fahrerlaubnisinhabers zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde feststeht.
Bei Zweifeln an der körperlichen oder geistigen Eignung eines Fahrerlaubnisinhabers ist Grundlage der im Rahmen der §§ 46 und 11 FeV zu treffenden Beurteilung, ob im Einzelfall die Voraussetzungen der Eignung, bedingten Eignung oder Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorliegen, gem. Vorbemerkung 2 der Anlage 4 zur FeV in der Regel ein ärztliches Gutachten und in besonderen Fällen ein medizinisch-psychologisches Gutachten oder ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr. Hiervon abweichend sieht § 11 Abs. 7 FeV vor, dass die Fahrerlaubnis ausnahmsweise ohne vorherige fachkundige Abklärung der Fahreignung zu entziehen ist, wenn die Nichteignung nach dem zu beurteilenden Sachverhalt bereits feststeht. Diese Einschreitensvariante ist im Zusammenhang mit Vorbemerkung 3 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnisverordnung und den dort aufgeführten Fallgestaltungen zu sehen, bei deren Vorliegen die Kraftfahreignung im Regelfall zu verneinen ist.
Fallbezogen kann nicht mit der notwendigen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Nichteignung des Antragstellers gemessen an den Vorgaben der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV auf Grund des Vorfalls vom 23.6.2009 feststeht.
Der insoweit zu beurteilende Sachverhalt stellt sich dahingehend dar, dass der Antragsteller einräumt, am Abend des 22.6.2009 Cannabis und in der Mittagspause des 23.6.2009 Alkohol konsumiert zu haben. Anlässlich einer am 23.6.2009 um 15.40 Uhr durchgeführten Polizeikontrolle auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes wurden Verhaltensauffälligkeiten sowie Alkoholgeruch im Atem des Antragstellers festgestellt, die zum Anlass einer Blutuntersuchung genommen wurden. Ausweislich des um 16.25 Uhr gefertigten ärztlichen Berichts waren bei sonst unauffälligen Befunden Alkoholgeruch, gerötete Bindehaut, Lidflattern und eine diskret gereizte Stimmung festzustellen. Der Arzt hat auf dieser Basis in dem Untersuchungsbericht als Diagnose die Rubrik "geringe Beeinflussung durch Alkohol und Drogen/Medikamente" angekreuzt. Die Blutuntersuchung hat eine Blutalkoholkonzentration von 0,62 Promille und – durch Cannabiskonsum bedingt – einen THC-Wert von 0,5 Nanogramm/ml sowie einen Tetrahydrocannabiol-Carbonsäure-Wert von 23 Nanogramm/ml ergeben. Der Antragsteller bestreitet nicht, gelegentlich Cannabis zu konsumieren.
Dieser Sachverhalt rechtfertigt unter Zugrundelegung der einschlägigen Rspr. des BVerfG weder die Schlussfolgerung, dass der Antragsteller am Nachmittag des 23.6.2009 am Straßenverkehr teilnehmen wollte, obwohl infolge seines Cannabiskonsums vom Vorabend die ...