Bei Nichtbeförderung (Art. 4 der Verordnung) und bei Flugannullierung (Art. 5) sind den betroffenen Fluggästen regelmäßig unter anderem Ausgleichsleistungen zu zahlen (Art. 7) und Unterstützungsleistungen anzubieten (Art. 8 und 9).
a) Nichtbeförderung
Der europäische Verordnungsgeber bezweckte mit der Verordnung insbesondere auch, die trotz der sog. Überbuchungsverordnung aus 1991 nach wie vor von den Fluggesellschaften praktizierte Überbuchung von Flügen zu bekämpfen. Daher wurde auch noch nach Inkrafttreten der neuen Fluggastrechteverordnung teilweise die Rechtsposition vertreten, dass unter Nichtbeförderung nur die Nichtbeförderung wegen Überbuchung zu verstehen sei. Der EuGH entschied nun mit zwei Urteilen vom 4.10.2012, dass der Ausgleich nicht nur bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung, sondern auch bei Nichtbeförderung aus anderen (z.B. betrieblichen) Gründen zu zahlen ist. Im ersten Fall (Rs. C-22/11) waren die Reisenden nicht befördert worden, weil ihr Flug infolge eines Streiks umorganisiert wurde, der zwei Tage zuvor auf dem Flughafen stattgefunden hatte. Im zweiten Fall (Rs. C-321/11) waren die Reisenden aufeinanderfolgender Flüge wegen einer vom Luftfahrtunternehmen selbst zu vertretenden Verspätung des ersten Fluges auf dem zweiten Flug nicht befördert worden. In beiden Fällen bejahte der EuGH das Tatbestandsmerkmal der Nichtbeförderung.
Eine Nichtbeförderung (ohne vertretbaren Grund) liegt nach aktueller Rechtsprechung des BGH auch dann vor, wenn ein bereits vollständig abgefertigter Fluggast auf einem Anschlussflug allein deshalb nicht befördert wird, weil sein Reisegepäck vom Zubringerflug nicht rechtzeitig in das Flugzeug des Anschlussfluges verladen werden konnte.
b) Annullierung und große Verspätung
Spätestens seit der sog. Sturgeon-Entscheidung des EuGH können die Fluggäste erheblich verspäteter Flüge den Fluggästen annullierter Flüge in Bezug auf ihren Anspruch auf Ausgleichsleistung gleichgestellt werden. Diese Rechtsprechung wurde von den Luftfahrtunternehmen in der Vergangenheit massiv angegriffen – unter anderem wegen einer angeblichen Überdehnung des Wortlauts der Verordnung durch den EuGH.
Der EuGH hat nun seine Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt, nach der Fluggäste bei erheblich verspäteten Flügen eine Ausgleichsleistung beanspruchen können. Der EuGH weist darauf hin, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge als vergleichbar mit der Situation der Fluggäste anzusehen, deren Flug kurzfristig annulliert wurde. In beiden Konstellationen hätten die Betroffenen ähnliche Unannehmlichkeiten erleiden müssen – nämlich einen Zeitverlust. Da die Fluggäste annullierter Flüge einen Anspruch auf eine Ausgleichsleistung haben, wenn ihr Zeitverlust drei Stunden oder mehr beträgt, steht den Fluggästen verspäteter Flüge ebenfalls ein Ausgleichsanspruch zu, wenn sie aufgrund einer Verspätung ihres Fluges einen solchen Zeitverlust erleiden – wenn sie also ihr Endziel nicht früher als drei Stunden nach der vom Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit erreichen. Der EuGH hält diese Rechtsprechung auch für vereinbar mit dem Übereinkommen von Montreal (MÜ), da der Ausgleichsanspruch lediglich eine Kompensation für eine Unannehmlichkeit und gerade keine Schadensersatzregelung im Sinne des MÜ darstelle. Die Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung sei daher nicht vom Geltungsbereich des MÜ erfasst. Der EuGH hält seine Entscheidung auch für vereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da ja nur "große" Verspätungen betroffen seien und die Luftfahrtunternehmen auch in Verspätungsfällen die in der Verordnung vorgesehenen Entlastungsmöglichkeiten (außergewöhnliche Umstände, s.u.) haben.
c) Abflug-/Ankunftsverspätung
Bisher war es umstritten, ob die Ausgleichsleistungen auch dann zu zahlen sind,...