"… Zu den Vorlagefragen"

Zur ersten Frage

[23] Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 dahin auszulegen ist, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene gegenseitige Anerkennung ohne jede Formalität auf Führerscheine anwendbar ist, die infolge eines Umtauschs gem. Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie ausgestellt wurden.

[24] Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 “[werden d]ie von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine (…) gegenseitig anerkannt.'

[25] Nach gefestigter Rspr. des Gerichtshofs sieht diese Bestimmung die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor (Urt. v. 26.10.2017, I, C-195/16, EU:C:2017:815, Rn 34 und die dort angeführte Rspr.).

[26] Da diese Bestimmung nicht nach der Art der Ausstellung des Führerscheins unterscheidet, d.h. danach, ob er infolge bestandener Prüfungen gem. Art. 7 der Richtlinie 2006/126 oder infolge eines Umtauschs gem. deren Art. 11 Abs. 1 ausgestellt wurde, gilt der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung vorbehaltlich der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmen auch für einen Führerschein, der aus einem solchen Umtausch hervorgegangen ist.

[27] Angesichts der vorstehenden Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 dahin auszulegen ist, dass vorbehaltlich der in der Richtlinie festgelegten Ausnahmen die in dieser Bestimmung vorgesehene gegenseitige Anerkennung ohne jede Formalität auf Führerscheine anwendbar ist, die infolge eines Umtauschs gemäß Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie ausgestellt wurden.

Zur zweiten und zur dritten Frage

[28] Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 11 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/126 dahin auszulegen ist, dass er einem Mitgliedstaat gestattet, die Anerkennung eines Führerscheins, der aus einem Umtausch nach Art. 11 Abs. 1 dieser Richtlinie hervorgegangen ist, mit der Begründung abzulehnen, dass er dem Inhaber des umgetauschten Führerscheins vor dem Umtausch die Fahrerlaubnis entzogen hatte.

[29] Diese Fragen stellt das vorlegende Gericht mit Blick darauf, dass zum einen Herr M., bevor die niederländischen Behörden einen Führerschein im Umtauschverfahren nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 ausgestellt haben, in Deutschland eine Zuwiderhandlung begangen hatte, die dazu geführt hatte, dass ihm seine Fahrerlaubnis entzogen worden war, ohne dass jedoch der Führerschein an die deutschen Behörden zurückgegeben worden war, und zum anderen die niederländischen Behörden, die von diesem Entzug nach der Ausstellung des neuen Führerscheins informiert wurden, den Herrn M. ausgestellten Führerschein aufrechterhalten haben.

[30] Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er gem. Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen.

[31] Nach dieser Bestimmung ist es insoweit Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, zu prüfen, für welche Fahrzeugklasse der vorgelegte Führerschein tatsächlich noch gültig ist. Zu diesem Zweck bestimmt Art. 15 der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten einander unterstützen, Informationen über die von ihnen ausgestellten, umgetauschten, ersetzten, erneuerten oder entzogenen Führerscheine austauschen und hierzu das EU-Führerscheinnetz nutzen.

[32] Vorliegend haben (…) die niederländischen Behörden am 14.11.2016 die Gültigkeit des Führerscheins von Herrn M. in der Datenbank des EU-Führerscheinnetzes überprüft und ihm am 17.11.2016 einen neuen Führerschein ausgestellt.

[33] Da, wie sich aus der Antwort auf die erste Vorlagefrage ergibt, die gegenseitige Anerkennung ohne jede Formalität gem. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126 auf Führerscheine anwendbar ist, die von einem Mitgliedstaat infolge eines Umtauschs nach Art. 11 Abs. 1 der Richtlinie ausgestellt wurden, können die anderen Mitgliedstaaten grds. nicht überprüfen, ob die in der Richtlinie bestimmten Ausstellungsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Beweis dafür anzusehen, dass sein Inhaber diese Voraussetzungen erfüllte (vgl. in diesem Sinne Urt. v. 23.4.2015, Aykul, C-260/13, [zfs 2015, 355 =] EU:C:2015:257, Rn 47 und die dort angeführte Rspr.).

[34] Zwar hat der Gerichtshof entschieden, dass, wenn sich zwar nicht anhand von vom Aufnahmemitgliedstaat stammenden Informationen, aber auf der Grundlage von Angaben im Führerschein selbst oder anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Informationen feststellen lässt, dass eine der in der Richtlinie 2006/126 aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nicht erfüllt war, der Aufnahmemitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet auf den Inhaber dieses Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs eine...

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