[1] I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 17.11.2020 in L ereignet hat.
[2] Die zum Unfallzeitpunkt 82 Jahre alte Klägerin fuhr gegen 17:40 Uhr als Passagierin eines Linienbusses der Beklagten zu 2) zu ihrer Wohnung in der Senioreneinrichtung H.-R. Der Beklagte zu 1), der seit 30 Jahren als Busfahrer arbeitet, lenkte den Bus. Die Klägerin saß auf einem Zweier-Sitzplatz direkt an einem der Ausgänge und beabsichtigte, an der nächsten Haltestelle auszusteigen und betätigte deshalb von ihrem Sitzplatz aus das Haltesignal. Neben ihr befanden sich lediglich fünf weitere Fahrgäste im Bus. Bei Regen und Dunkelheit näherte sich der Beklagte zu 1) mit dem Bus dem Kreuzungsbereich L-straße/S./E.-straße/ NH-straße und wollte an der Kreuzung von der L.-straße kommend nach links in die Straße S.-berg abbiegen, wo sich dann alsbald hinter dem Kreuzungsbereich die Haltestelle befindet, an der die Klägerin aussteigen wollte. Der Linienbus hielt zunächst wegen Rotlichts an der Kreuzung. Als das Licht auf Grün umsprang, fuhr der Linienbus in den Kreuzungsbereich ein. Die Klägerin stand auf und positionierte sich am Ausgang. Sie sicherte sich mit einer Hand an der Haltestange ab, während sie in der anderen Hand einen Regenschirm und ihre Handtasche festhielt.
[3] Im Kreuzungsbereich musste der Beklagte zu 1) den Linienbus zunächst nochmal kurz anhalten, da er vorfahrtsberechtigten Verkehr durchlassen musste. Die im Kreuzungsbereich anwesende Fußgängerin K. wollte die Straße S.-berg aus Richtung E.-straße im Bereich einer Fußgängerfurt bei für sie zeigendem Grünlicht für Fußgänger überqueren. Der Beklagte zu 1) nahm die Fußgängerin K. zunächst nicht wahr und fuhr wieder an, um den Linksabbiegevorgang in die Straße S.-berg zu vollenden. Nachdem der Beklagte zu 1) die Fußgängerin jedoch wahrgenommen hatte, nahm er eine scharfe Notbremsung vor, als sie sich nur etwa einen Meter vor dem Linienbus befand. Trotz der Notbremsung erfasste er die Fußgängerin K. mit dem Bus und brachte diese zu Fall, allerdings offenbar ohne dass sie Verletzungen davontrug.
[4] Durch die plötzliche Notbremsung stürzte die Klägerin, der es nicht gelang, sich an der Haltestange festhalten. Sie ging mit dem Kopf in Fahrtrichtung voran und ohne wahrnehmbare Sicherungs- und Abwehrbewegungen direkt zu Boden, wo sie nach kurzer Rutschbewegung in Fahrtrichtung liegen blieb. Die Klägerin wurde mit dem Rettungswagen in das UKSH gebracht, wo sie bis zum 2.12.2020 stationär behandelt wurde. Gemäß vorläufigem Arztbrief vom 1.12.2020 wurden bei ihr eine mediale Schenkelhalsfraktur links (Klassifikation nach Garden: Typ 3), eine Humeruskopfmehrfragmentfraktur links, eine instabile BWK-4-Fraktur sowie eine traumatische Eröffnung der Bursa olecrani links diagnostiziert. Im Rahmen des Krankenhausaufenthalts erfolgten am 18.11.2020 Operationen an Ellenbogen, Schulter und Hüfte. Am 19.11.2020 wurde die Brustwirbelkörperfraktur intern fixiert. Unstreitig folgten weitere Krankenhausaufenthalte der Klägerin, und zwar vom 2. bis 14.12.2020 im Krankenhaus D. in L. sowie erneut vom 19. Januar bis zum 16.2.2021 im D.- Krankenhaus. Die Beklagten sehen den Krankenhausaufenthalt im Dezember 2020 nur noch zum Teil und den weiteren Krankenhausaufenthalt im Januar/Februar 2021 gar nicht mehr als unfallbedingt an. Die Klägerin ist mittlerweile von einer Wohnung in der Seniorenresidenz auf die dortige Pflegestation verlegt worden. Inzwischen ist sie mit Pflegegrad III in der Pflegeabteilung untergebracht.
[5] Die Klägerin hat behauptet, die Verlegung in die Pflegeabteilung sei unfallbedingt notwendig geworden. Sie habe neben den diagnostizierten Schäden auch Dauerschäden erlitten. Vor dem Unfall habe sie viele ehrenamtliche Tätigkeiten ausgeführt und sei immer mindestens 20 Jahre jünger geschätzt worden. Inzwischen sei dies anders, sie können nicht mehr ordentlich gehen und sei auf den Rollstuhl angewiesen.
[6] Das Landgericht hat nach Anhörung der Klägerin sowie des Beklagten zu 1) und Beweisaufnahme (Inaugenscheinnahme von angefertigten Videoaufnahmen, Beiziehung der Ermittlungsakte) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei ein solch erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass eine mögliche Haftung der Beklagten hinter ihrem eigenen Verursachungsbeitrag zurücktreten würde. Die Klägerin habe sich sehenden Auges ohne sachlichen Grund selbst in Gefahr begeben, indem sie während der Fahrt und noch vor Einfahrt des Busses in die Kreuzung von ihrem Sitz aufgestanden und sich nur mit einer Hand an der Haltestange festgehalten habe. Den Insassen von Bussen obliege es in Eigenverantwortung, Gefahren für Leib und Leben abzuwehren. Es wäre der Klägerin hier auch leicht möglich gewesen, die Gefahrenlage abzuwenden. Sie hätte bis zum Stillstand des Linienbusses an der Haltestelle auf ihrem Sitzplatz verweilen können. Da nur fünf weitere Fahrgäste im Bus befindlich waren, hätte sie den Bus an der Haltestelle zügig und re...