[…] II. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 341 Abs. 1, § 345 Abs. 1 und 2, § 43 Abs. 2 StPO) Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
Auf die Rechtsbeschwerde waren das angefochtene Urteil aufzuheben und das Verfahren gemäß § 206a StPO i.V.m. § 46 Abs. 1 OWiG einzustellen, weil der Verfolgung der der Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 OWiG das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung entgegensteht.
1. Die Frage, ob Verfolgungsverjährung eingetreten ist, ist als Verfahrenshindernis vom Senat auf die mit der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts zulässig erhobene Rechtsbeschwerde vorrangig von Amts wegen eigenständig im Freibeweisverfahren zu überprüfen (vgl. Göhler/Bauer, OWiG, § 31 Rn 17; BayObLG, Beschl. v. 17.11.2020 – 201 ObOWi 1385/20).
2. Zum Zeitpunkt der Verkündung des angefochtenen Urteils am 12.3.2024 war die maßgebliche Verjährungsfrist auch unter Berücksichtigung etwaiger Unterbrechungen gemäß § 33 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 OWiG bereits abgelaufen.
a) Für die der Betroffenen zur Last gelegte Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 24 Abs. 1 StVG beträgt die Frist der Verfolgungsverjährung gemäß § 26 Abs. 3 Satz 1 StVG drei Monate, solange wegen der Handlung weder ein Bußgeldbescheid ergangen ist noch öffentliche Klage erhoben worden ist, danach sechs Monate. Die dreimonatige Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 S. 1 StVG begann gemäß § 31 Abs. 3 S. 1 OWiG am 9.2.2023, dem Tag, an dem die Betroffene die ihr zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung begangen haben soll, und lief damit zunächst bis zum Ablauf des 8.5.2023. Innerhalb dieses Zeitraums wurde die Verjährungsfrist gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 OWiG durch die am 15.3.2023 angeordnete Anhörung der Betroffenen unterbrochen und begann infolge dessen gemäß § 33 Abs. 3 S. 1 OWIG neu zu laufen bis zum 14.6.2023.
b) Eine erneute rechtswirksame Unterbrechung der Verjährungsfrist ist nicht erfolgt. Insbesondere der Erlass des Bußgeldbescheids am 5.6.2023 und dessen Einlegung durch eine Zustellerin der Deutschen Post AG in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten der Betroffenen am 9.6.2023 bewirkten weder eine Unterbrechung der Verfolgungsverjährung gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG noch eine Verlängerung der Verjährungsfrist gemäß § 26 Abs. 3 2. Hs. StVG auf sechs Monate, innerhalb derer durch den Eingang der Akten beim Amtsgericht gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 10 i.V.m. § 69 Abs. 3 S. 1 OWiG am 19.9.2023 eine erneute Verjährungsunterbrechung bewirkt worden wäre.
Zwar erbringt die bei der Akte befindliche Postzustellungsurkunde vom 9.6.2023 als öffentliche Urkunde im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 182 Abs. 1 S. 2 ZPO, § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG, § 1 SVwZG, § 3 Abs. 2 S. 1 VwZG (vgl. BVerfG NJW-RR 2002, 1008; BGH NJW 1992, 1963) den vollen Beweis für die darin von der Zustellerin bezeugte Tatsache (vgl. BGH, Beschl. v. 22.8.2023 – AnwZ (Brfg) 14/23), dass der Bußgeldbescheid vom 5.6.2023 am 9.6.2023 in den zur Wohnung der Betroffenen gehörenden Briefkasten eingelegt wurde, nachdem die Betroffene von der Zustellerin nicht angetroffen worden war, ohne dass insoweit der nach § 418 Abs. 2 ZPO zulässige Beweis der Unrichtigkeit erbracht ist. Dies allein belegt aber noch keine Verlängerung und Unterbrechung der Verjährungsfrist. Sowohl für die Verlängerung der Verjährungsfrist auf sechs Monate gemäß § 26 Abs. 3 2. Hs. StVG als auch für die Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 S. 1 Nr. 9 OWiG ist aber erforderlich, dass die Zustellung im Einzelfall auch wirksam war, mithin unter Beachtung der für die gewählte Art der (Ersatz-)Zustellung maßgeblichen zwingenden Zustellungsvorschriften erfolgte (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 28.10.1999 – 4 StR 453/99; OLG Celle, Beschl. v. 18.8.2015 – 2 Ss (OWi) 240/15; zur Unterbrechung der Verjährung vgl. auch BT-Drucks 13/3691, S. 7). Daran fehlt es hier. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Zustellungsmangel rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist geheilt worden ist.
aa) Die gemäß § 50 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 51 Abs. 2 OWiG gesetzlich vorgeschriebene Zustellung des Bußgeldbescheids (zur Einordnung des Bußgeldbescheids als Maßnahme i.S.d. § 50 Abs. 1 S. 2 OWiG vgl. Göhler/Bauer, OWiG, § 50 Rn 6) an die Betroffene war nicht wirksam.
(1) Für das Zustellungsverfahren der Verwaltungsbehörde gelten gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 OWiG die Vorschriften des Saarländischen Verwaltungszustellungsgesetzes (SVwZG), das für das Zustellungsverfahren der Behörden des Landes die Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (des Bundes) für entsprechend anwendbar erklärt (§ 1 SVwZG). Danach sind für die Ausführung der Zustellung die §§ 177 bis 182 ZPO entsprechend anzuwenden (§ 3 Abs. 2 S. 1 VwZG).
(2) Bei der durch Einlegen des Bußgeldbescheids in den Briefkasten der Betroffenen erfolgten Zustellung sind die gesetzlichen Regelungen über das Zustellungsverfahren nicht eingehalten worden, weil davon auszugehen ist, dass ...