Sowohl für das eingeschränkte Mandat als auch für den unbeschränkten Auftrag gilt, dass die Belehrungspflicht des Rechtsanwalts mit der Belehrungsbedürftigkeit seines Mandanten korrespondiert. Im Extremfall bedeutet dieses sogar, dass derjenige Mandant nicht belehrt werden muss, dem die Rechtslage bekannt ist. Erfahrungsgemäß ist dieses der absolute Ausnahmefall, da zu unterstellen ist, dass der Mandant sich in der Regel nicht zum Anwalt begibt, wenn er die Rechtslage im Detail kennt. Die weitaus überwiegende Anzahl der Fälle – insbesondere bei der zivilrechtlichen Regulierung von Personenschäden – ist so gekennzeichnet, dass der Mandant über die ihm zustehenden Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche weder dem Grunde noch der Höhe nach vollumfänglich informiert ist. Immer dann, wenn der Mandant zu bestimmten Fragen rechtskundig und damit nicht belehrungsbedürftig ist, stellt dieses also die Ausnahme dar, für die der Rechtsanwalt beweispflichtig ist (Borgmann, BRAK-Mitteilungen 2001, 70). Für die Praxis sollte der Anwalt deshalb am besten davon ausgehen, dass sein Mandant immer belehrungsbedürftig ist.
Ein anderes Kapitel ist es, den Bedarf des Mandanten an Belehrung an den Mann/die Frau zu bringen, sodass der Mandant inhaltlich versteht, worum es geht. Der Anwalt muss also die hohe Kunst der Kommunikation beherrschen, mit der er seinen Mandanten auf dessen intellektueller Ebene erreicht. Die Beratungspflicht hat sich also an den individuellen intellektuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen des Mandanten auszurichten. Dieses schlägt sich auch nicht selten im Zeitaufwand nieder, der erforderlich ist, damit der Rechtsanwalt der ihm obliegenden Belehrungspflicht vollständig und gewissenhaft nachkommt. So sind auch an die Art und Weise der Kommunikation unterschiedliche Anforderungen zu stellen: Mitunter ist es nicht ausreichend, in nur einem einzigen Termin dem Mandanten gegenüber der anwaltlichen Belehrungspflicht nachzukommen. Wiederum andere Mandanten benötigen die Visualisierung, sodass der Anwalt diesem Bedürfnis am besten dadurch gerecht wird, dass er mit einem Schaubild die Rechtslage darstellt; demgegenüber kommt eine dritte Gruppe von Mandanten am besten mit der schriftlichen Abfassung der anwaltlichen Beratung klar. Unglücklicherweise sind auch Mischformen denkbar.
Wenn der Rechtsanwalt bei seiner Beratung am Mandanten vorbeispricht, weil er dessen Empfängerhorizont nicht trifft, kann dies wegen der Gefahr von Missverständnissen zu erheblichen Haftungsrisiken führen, zumal wenn der Rechtsanwalt seine Beratung nicht schriftlich niedergelegt hat. Eine Beratung, die den Mandanten intellektuell erreicht, erhöht ganz nebenbei entscheidend die Zufriedenheit des Mandanten mit seinem Rechtsanwalt. Er fühlt sich verstanden und eben gut beraten; er empfiehlt den Rechtsanwalt weiter und verlässt die Kanzlei nicht mit dem Bedürfnis den Rechtsanwalt in Regress nehmen zu wollen.
Um ganz sicher zu gehen, sollte der Anwalt schriftlich dokumentieren, in welchem Umfang und wie er seiner Belehrungspflicht nachgekommen ist. Neben dem klassischen Aktenvermerk oder der Kopie des Mandantenschreibens bietet sich die schriftliche Gegenzeichnung der schriftlichen Belehrung durch den Mandanten an. Letzteres umso mehr, je größer Umfang und Tragweite der anwaltlichen Belehrung für den Mandanten sind. Zwar verpflichtet der Anwaltsvertrag den Anwalt nicht zu derartigem Handeln. Schließlich ist es der Mandant, der ggf. den Rechtsanwalt wegen einer Pflichtverletzung schadensersatzpflichtig macht, wobei der Mandant gerade diese darzulegen und zu beweisen hat. Jedoch versetzt die schriftliche Dokumentation der umfänglichen Beratung des Mandanten den Rechtsanwalt prozessual in den Stand seine Rechtsverteidigung zu optimieren.