BGB § 839; GG Art. 34; BJagdG § 2
Es besteht keine allgemeine Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor dem Vertust von Einnahmen zu schützen, die ihm durch wild lebende Tiere entstehen können.
OLG Karlsruhe, Urt. v. 6.4.2010 – 12 U 11/10
Der klagende Tabakpflanzer hat das beklagte Land auf Ersatz des Schadens in Anspruch genommen, der ihm durch das behauptete Ausreißen der angepflanzten Tabakpflanzen entstanden ist. Das Regierungspräsidium hatte ihm zu Beginn der Pflanzsaison den Abschuss von zwei bis drei Rabenkrähen pro Anbaufläche zur "nachhaltigen Vergrämung" der Tiere genehmigt. Ein Abschuss von Rabenkrähen auf Grund der Genehmigung erfolgte nicht.
Der Kläger hat das beklagte Land für verpflichtet gehalten, die Population der Rabenkrähen wegen der besonders schadensfälligen Obst-, Gemüse- und Tabakkulturen zu überwachen. Auf Grund der offen sichtbaren Zunahme von Rabenschwärmen hätte das Land die Bestände ermitteln und Abwehrmaßnahmen ergreifen müssen. Wegen der bekannten Schädlichkeit für landwirtschaftliche Kulturen hätte bei ständiger Beobachtung eine Überpopulation verhindert werden können. Der Bestand an Rabenkrähen aus dem im Eigentum des Landes stehenden Rheinauenwald habe übermäßig zugenommen. Die Ausnahmengenehmigung zum Abschuss der Rabenkrähen sei zu spät und in zu geringem Umfang erteilt worden. Dass der Kläger selbst keine Abwehrmaßnahmen ergriffen habe, begründe kein Mitverschulden. Rabenkrähen ließen sich durch Attrappen wie Vogelscheuchen nicht abschrecken. Sonstige Abwehrmaßnahmen habe der Kläger angesichts des plötzlichen Vogeleinfalls nicht ergreifen können.
Das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung durch das LG.
Aus den Gründen:
“Die Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt – insbesondere nicht wegen einer Verletzung von Amts- oder Nachbarschaftspflichten oder wegen eines enteignenden oder enteignungsgleichen Eingriffs – Anspruch auf Entschädigung für den ihm nach seinem Vortrag entstandenen Schaden.
A. Das beklagte Land haftet dem Kläger nicht wegen einer Verletzung von Amtspflichten (§ 839 Abs. 1 BGB) auf Ersatz der von ihm behaupteten Schäden an seinen Tabakpflanzen.
1. Eigene Abwehrmaßnahmen des Klägers gegen die Rabenkrähen hat das beklagte Land nicht rechtswidrig verhindert.
a) Vor Beginn der am 15.3.beginnenden Brutzeit hätte der Kläger – falls er bereits zu diesem Zeitpunkt den Eindruck einer seine bevorstehenden Anpflanzungen bedrohenden Überpopulation hatte – gem. § 1 Abs. 1 der Verordnung der Landesregierung über Ausnahmen von den Schutzvorschriften für Rabenvögel (RabAusnV) eine Tötung von Rabenkrähen durch den Jagdausübungsberechtigten veranlassen können.
b) Während der – innerhalb der Brutzeit liegenden – Anpflanzungszeit konnte der Kläger nicht mehr von der allgemeinen Ausnahmeregelung der Rechtsverordnung Gebrauch machen, aber eine Einzelfallgenehmigung für einen Vergrämungsabschuss von Rabenkrähen beantragen. Das hat er nach den Feststellungen des LG am 29.5.2009 getan; die Genehmigung ist noch an diesem Tage erteilt und spätestens am 2.6.2009 abgesandt worden. Eine Verzögerung der Antragsbearbeitung kann der zuständigen Behörde daher nicht vorgehalten werden.
c) Soweit der Kläger rügt, die Genehmigung – die den Abschuss von 2–3 Rabenkrähen pro Anbauflächen zur Vergrämung gestattete – sei nicht ausreichend gewesen, fehlt es bereits an der Darlegung, dass der Kläger einen weiter gehenden Antrag gestellt hatte. Im Übrigen ist von der Genehmigung – wie zwischen den Parteien unstreitig ist – kein Gebrauch gemacht worden, sodass nicht feststellbar ist, ob der Vergrämungsabschluss im Rahmen der erteilten Genehmigung den Schaden verhindert hätte.
2. Eine Rechtsvorschrift, die die Landesverwaltung verpflichten würde, im Interesse der Landwirtschaft selbst Maßnahmen zur Regulierung der Population von Rabenvögeln zu ergreifen, existiert nicht. Das Bundesjagdgesetz, das in § 21 Regelungen über die Aufstellung von Abschussplänen unter Berücksichtigung der Interessen der Landwirtschaft trifft, ist nicht anwendbar, da die Rabenkrähe nicht zu den in § 2 Abs. 1 BJagdG aufgezählten Tierarten zählt; das Landesjagdrecht hat die Rabenkrähe auch nicht gem. § 2 Abs. 2 BJagdG dem Jagdrecht unterstellt.
3. Es besteht keine allgemeine, unmittelbar aus den Grundrechten abzuleitende Verpflichtung des Staates, seine Bürger vor dem Verlust von Einnahmen zu schützen, die ihm durch wild lebende Tiere entstehen könnten. Es ist vielmehr Sache des Einzelnen, sich bei seiner landwirtschaftlichen Tätigkeit auf die natürlichen Rahmenbedingungen und ggf. auch auf deren Änderung einzustellen.
Der vom Kläger angestellte Vergleich mit dem Schutz der Fischer vor Schäden durch Kormorane hilft ihm schon deshalb nicht weiter, weil auch die insoweit geltende Kormoranverordnung des Landes Baden-Württemberg (vom 4.5.2004, GBl S. 213) einen Abschuss von Kormoranen durch Jagdausübungsberechtigte außerhalb der Schonzeit erlaubt, nicht aber eine Bekämpfung durch staatliche Stelle...