Am 20.10.2020 schärfte der BGH seine Rechtsprechung zum Komplex "Selbstentzündung und Halterhaftung" weiter nach.
Er stellte in drei Entscheidungen klar, dass es für die Haftung aus Betrieb
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weder auf die (Dauer der) bloße(n) Fahruntüchtigkeit des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Selbstentzündung |
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noch auf die Funktion der brandauslösenden Betriebseinrichtung |
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noch auf den Brandort |
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Werkstattfall I: Selbstentzündung eines nach einem Unfall seit 3 Tagen fahruntüchtigen Pkws |
Der später durch den Brand geschädigte Abschleppunternehmer hatte den unfallbedingt fahruntüchtigen Pkw in seine Lagerhalle verbracht. Diese geriet drei Tage später in Brand, ohne dass der Pkw in dieser Zeit bewegt worden wäre. Der Gebäudeversicherer nahm nach Schadensregulierung aus nach § 86 VVG übergegangenem Recht den Haftpflichtversicherer des Pkws auf Schadensersatz in Anspruch – unter der streitigen Behauptung, Brandursache sei die Selbstentzündung des Pkws als Folge eines technischen Defekts einer Betriebseinrichtung nach dem Unfall gewesen.
Die Vorinstanzen hatten – ohne Ursachenklärung – eine Haftung aus Betrieb verneint und die Klage ab- bzw. die klägerische Berufung zurückgewiesen – Letzteres unter Hinweis darauf, dass es sich um ein schwer beschädigtes, wahrscheinlich endgültig nicht mehr betriebstüchtiges Fahrzeug gehandelt habe, das seit drei Tagen auf privatem Grund abgestellt gewesen sei.
Der BGH hatte demzufolge auf die klägerische Revision nur die Betriebsfrage zu klären – auf den Punkt gebracht die "Frage, ob ein vor 3 Tagen abgestelltes Fahrzeugwrack ein Kraftfahrzeug ist, das im haftungsrechtlichen Sinn (noch) "in Betrieb" ist".
Dies hat der BGH bejaht:
Der Umstand, dass der Pkw zum Zeitpunkt des Schadensfalls schwer beschädigt und daher nicht mehr betriebsbereit war und auch gar nicht feststand, ob er überhaupt wieder im Straßenverkehr eingesetzt werden konnte, nahm ihm aus Sicht des BGH (noch) nicht die Eigenschaft eines Kraftfahrzeugs i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG.
Letzteres knüpft an die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung an, nach der ein Fahrzeug seine Eigenschaft als Kraftfahrzeug i.S. des StVG (legaldefiniert in § 1 Abs. 2 StVG) regelmäßig nicht schon dadurch verliert, dass es – etwa aufgrund eines Defektes – vorübergehend betriebsunfähig wird und nicht mehr mit eigener Antriebskraft bewegt werden kann. Vielmehr kommt es maßgeblich darauf an, dass die Fortbewegung mit eigener Maschinenkraft zukünftig – ggf. nach Reparatur oder Austausch von Teilen – wiederhergestellt werden kann und dass diese Wiederherstellung auch angestrebt wird. Die Kraftfahrzeugeigenschaft kann folglich überhaupt erst dann verlorengehen, wenn feststeht, dass der Schaden nicht zu beheben ist und/oder wenn eine Wiederinbetriebnahme des defekten Fahrzeugs endgültig nicht mehr zu erwarten ist und das Fahrzeugwrack bereits längere Zeit "aus dem Verkehr gezogen" ist.
Unter Hinweis darauf, dass im Ausgangspunkt das Tatbestandsmerkmal "Betrieb" nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung weit auszulegen ist, hat der BGH – anders als die Vorinstanzen – eine Haftung aus Betrieb nicht verneint – mit der Begründung, es reiche aus, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs stehe.
Der durch den Defekt einer Betriebseinrichtung verursachte Schaden ist also nach nunmehr weiter gefestigter Rechtsprechung des BGH spezifische Auswirkung einer Gefahr, für die die Haftungsvorschrift des § 7 StVG den Verkehr schadlos halten will.
Reicht es aus, dass der Brand oder dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht, macht es konsequenterweise rechtlich keinen Unterschied, ob der Brand unabhängig vom Fahrbetrieb selbst vor, während oder nach einer Fahrt eintritt. Wollte man die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG auf Schadensfolgen begrenzen, die durch den Fahrbetrieb selbst und dessen Nachwirkungen verursacht worden sind, liefe die Haftung vielmehr in all den Fällen leer, in denen unabhängig von einem Betriebsvorgang allein ein technischer Defekt einer Betriebseinrichtung für den Schaden eines Dritten ursächlich geworden ist. Das wiederum würde dem Schutzzweck der Norm nicht gerecht.
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Werkstattfall II: Selbstentzündung eines Lkw in einer Werkstatt |
Diese Grundsätze hat der BGH auch der folgenden Konstellation zugrundegelegt:
Ein Lkw hatte auf der Autobahn ein Rad verloren und war nach einer Notreparatur in eine Werkstatt verbracht worden. Dort konnten die notwendigen Reparaturen wegen Ersatzteilmangels nicht sofort abgeschlossen werden. Ein Defekt an der Fahrzeugelektrik im Bereich des Fahrzeugrahmens rechts führte zu einem Kurzschluss, dieser zu einem Fahrzeugbrand, der auf die Werkstatthalle übergriff. Der Schaden belief sich auf mehr als 1,8 Mio. EUR.