Dann müsste es sich bei COVID-19 und SARS-CoV-2 um eine meldepflichtige Krankheit oder einen meldepflichtigen Krankheitserreger gem. §§ 6, 7 IfSG im Sinne von § 1 Nr. 2. Muster-AVB handeln. Die Meldepflichten nach diesen Vorschriften sind durch § 1 Abs. 1, 3 CoronaVMeldeV (erlassen auf der Grundlage von § 15 Abs. 1 und 2 IfSG) seit dem 1.2.2020 auf den Coronavirus ("2019-nCoV") ausgedehnt worden. Durch Art. 1 des Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 sind mit Wirkung zum 23.5.2020 sodann "Coronavirus-Krankheit COVID-19" als § 6 Abs. 1 Nr. 1t in § 6 IfSG sowie SARS-CoV und SARS-CoV-2 als § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 44a IfSG ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen worden. Dies scheint auf den ersten Blick darauf hinzudeuten, dass eine Betriebsschließungsversicherung Schäden wegen coronabedingt erzwungener Betriebsschließungen umfasst. Zu beachten ist aber, dass die hier in Rede stehenden Versicherungsverträge vor dem erstmaligen Auftreten der neuartigen Viren und der gesetzlichen Ausdehnung der Meldepflicht abgeschlossen worden sind. Zudem verwenden die Versicherer in der Praxis erheblich von den Muster-AVB abweichende Klauseln. Die Auslegung solcher Klauseln hat nach dem Grundsatz zu erfolgen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse verstehen muss. Hiernach muss nach den verschiedenen Arten von Klauseln differenziert werden :
a) Statische oder dynamische Verweisung auf das IfSG
Bei einer statischen Verweisung in den AVB auf das IfSG in einer bestimmten Fassung sind nur die dort genannten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst. Erfolgt in den AVB des Versicherers eine dynamische Verweisung auf das IfSG, besteht für die relevanten Fälle hingegen ein Versicherungsschutz.
b) Aufzählung der Krankheiten und Krankheitserreger
Weisen die AVB des Versicherers ausdrücklich eine enumerative Aufzählung der vom Versicherungsschutz umfassten meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger ohne Bezugnahme auf das IfSG auf, besteht bezüglich COVID-19 kein Versicherungsschutz. Eine Auslegung dahingehend, dass auch künftige, erst später in das Infektionsschutzgesetz aufgenommene Krankheiten oder Krankheitserreger dem Versicherungsschutz unterfallen, ist nicht möglich.
c) Mischform: Katalog und Verweis auf das IfSG
Problematisch ist das Verständnis von Klauseln, die einerseits auf das IfSG verweisen, andererseits "namentlich" Krankheiten und Krankheitserreger ohne Nennung von COVID19 und SARS-CoV-2 aufführen. Mehrheitlich wird von anderen Gerichten in solchen Fällen ein Versicherungsschutz abgelehnt. Das LG Coburg ist der Ansicht, der Versicherungsnehmer entnehme aus dieser intransparenten Regelung keine Einschränkung des eingangs erteilten umfassenden Leistungsversprechens. Auch andere Gerichte nehmen unter Hinweis auf die Unklarheiten-Regel in § 305c Abs. 2 BGB und wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot in § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB eine Deckungspflicht an. Die Obergerichte haben einen Verstoß gegen das Transparenzgebot hingegen nahezu durchgehend verneint. Lediglich das OLG Karlsruhe hat jüngst einen Verstoß gegen das Transparenzgebot angenommen.