1. Fachgerichte
Insbesondere zu Beginn der Pandemie war die Frage von Bedeutung, wie sie sich die Pandemie auf coronabedingte Anträge auf Terminsverlegung auswirkt. Nach § 305 Satz 1 StPO sind die Ablehnung von Anträgen auf Aufhebung von Verhandlungsterminen und Aussetzung eines Verfahrens grundsätzlich nicht anfechtbar. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Terminaufhebung und Verfahrensaussetzung vom Gericht ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig abgelehnt wurden. Die Obergerichte haben Beschwerden gegen die Ablehnung pandemiebedingter Anträge auf Terminsverlegung in aller Regel als unzulässig betrachtet. Eine solche Ablehnung ist nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Gericht für die Durchführung des Verhandlungstermins ausreichende Sicherheitsvorkehrungen gegen eine mögliche Ansteckungsgefahr getroffen hat und zudem der Grundsatz der Öffentlichkeit gewahrt wird. Das gilt insbesondere, wenn dabei der Gesundheitszustand des Angeklagten in den Blick genommen und diesem durch Anordnung weitreichender Schutzmaßnahmen begegnet wird. Hiernach schließen überzeugende Hygienekonzepte für die Durchführung der Hauptverhandlung die Begründetheit einschlägiger Anträge aus, etwa hinsichtlich Dauer und Teilnehmeranzahl oder organisatorischer Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen.
2. BVerfG
Diese Linie ist vom BVerfG bestätigt worden. Bei der erforderlichen Abwägung der Interessen können vor allem Art, Umfang und mutmaßliche Dauer des Strafverfahrens, Art und Intensität der zu befürchtenden Schädigung sowie Möglichkeiten, dieser entgegenzuwirken, Beachtung erfordern. Hierbei kommt staatlichen Stellen ein erheblicher Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu. Die Verfassung gebietet keinen vollkommenen Schutz vor jeglicher mit einem Strafverfahren einhergehender Gesundheitsgefahr. Dies gilt umso mehr, als ein gewisses Infektionsrisiko mit dem neuartigen Corona-Virus derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko gehört. Besteht die naheliegende, konkrete Gefahr, dass der Beschuldigte bei Durchführung der Hauptverhandlung sein Leben einbüßen oder schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen würde, so verletzt ihn die Fortsetzung des Strafverfahrens in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S 1 GG. Ein Gericht, das über die Anberaumung und Durchführung von Hauptverhandlungsterminen entscheidet, wird seiner Pflicht, zwischen dem Risiko einer Infektion mit potenziell gefährlichem Verlauf (hier: Covid-19) und dem Interesse des Staates an einer effektiven Strafverfolgung abzuwägen, regelmäßig dadurch gerecht, dass es – sachverständig beraten – geeignete Maßnahmen zur Minimierung der Ansteckungsgefahr durch ein an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientiertes Hygienekonzept trifft.
3. Unterbrechung der Hauptverhandlung
Eng verwandt mit dem Bereich der Terminsverlegung ist die pandemiebedingte Unterbrechung der Hauptverhandlung unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen. Um die Aussetzung von Hauptverhandlungen wegen der Pandemie aufgrund der strikten Fristen des § 229 StPO zu verhindern, hat der Gesetzgeber nach deren Ausbruch § 10 EGStPO eingeführt (gegenwärtig gültig bis 26.3.2022). Hier ist unabhängig von der Dauer der Hauptverhandlung der Lauf der in § 229 Abs. 1 und 2 StPO genannten Unterbrechungsfristen gehemmt, solange die Hauptverhandlung aufgrund von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) nicht durchgeführt werden kann, längstens jedoch für zwei Monate; diese Fristen enden frühestens zehn Tage nach Ablauf der Hemmung. Beginn und Ende der Hemmung stellt das Gericht durch unanfechtbaren Beschluss fest. Eine Hemmung liegt vor, wenn dem Ehegatten einer Schöffin eine Kontaktvermeidung zum Schutz vor einer Ansteckung durch das SARS-CoV-2-Virus ärztlich angeraten wird. Ein Hindernis für die Durchführung der Hauptverhandlung liegt auch vor, wenn nur mittelbar auf Schutzmaßnahmen beruht. Die Hemmung des § 10 EGStPO tritt kraft Gesetzes ein. Der Feststellungsbeschluss hat nur insofern konstitutive Bedeutung, als er den Beginn und das Ende der Hemmung unanfechtbar feststellt. Aufgrund der Unanfechtbarkeit des Feststellungsbeschlusses kommt eine Richtigkeitsprüfung über den Willkürmaßstab hinaus nicht in Betracht; sie ist auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Die infolge einer Sperrung von Sitzungssälen durch die Gerichtsverwaltung zum Schutz vor der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus eingetretene geringere Verfügbarkeit von Sitzungssälen zur Verhandlung priorisierter Haftsachen gegenüber nicht priorisierten Verfahren ist als mittelbare Auswirkung der Schutzmaßnahme...