StGB § 316 Abs. 1; StPO §§ 81a, 267
1. Eine vorsätzliche Tatbegehung i.S.d. § 316 Abs. 1 StGB ist nur dann gegeben, wenn der Täter seine Fahrunsicherheit kennt oder mit ihr zumindest rechnet und sie billigend in Kauf nimmt, gleichwohl aber am öffentlichen Straßenverkehr teilnimmt. Eine vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr kann nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der erhebliche Mengen Alkohol getrunken hat, sich seiner Fahrunsicherheit bewusst wird oder diese billigend in Kauf nimmt.
2. Wird vom AG nicht mitgeteilt, ob und ggf. wie sich der Angeklagte zum Tatvorwurf eingelassen hat, stellt dies in der Regel einen sachlich-rechtlichen Mangel der Beweiswürdigung dar. Eine Erörterung und Würdigung der erhobenen Beweise einschließlich der Einlassung des Angeklagten ist jedenfalls dann notwendig, wenn das Revisionsgericht nur auf dieser Grundlage nachprüfen kann, ob das materielle Recht richtig angewendet worden ist und ob die Denk- und Erfahrungssätze beachtet worden sind.
3. Strafverfolgungsbehörden müssen regelmäßig versuchen, eine Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst eine Blutprobenentnahme anordnen. Die Gefährdung des Untersuchungserfolges muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen sein müssen. Wenn vor diesem Hintergrund eine Dienstanweisung ergeht, nach der die Ermittlungsbehörden bei der Anordnung einer Blutprobe zur Feststellung der Alkoholkonzentration wegen der Geschwindigkeit des Alkoholabbaus im Blut regelmäßig von Gefahr im Verzug auszugehen haben, erweist sich dies als bewusste Umgehung des Richtervorbehalts des § 81a StPO. Zwar ist derart angewiesenen Polizeibeamten selbst nicht der Vorwurf der Willkür zu machen. Objektiv willkürlich ist aber die bezeichnete Anweisung an die Beamten, denn sie stellt eine gröbliche Verkennung und Verletzung der den Richtervorbehalt begründenden Rechtslage dar.
(Leitsätze der Schriftleitung)
Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 13.7.2010 – (2) 53 Ss 40/10 (21/10)
Das AG Frankfurt/Oder hat den Angeklagten am 3.12.2009 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 45 Tagessätzen zu jeweils 30 EUR verurteilt. Es hat ihm außerdem die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von drei Monaten keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen.
Zur Tat hat das AG u.a. festgestellt:
Am 28.3.2009 befuhr der Angeklagte gegen 06.50 Uhr mit einem Personenkraftwagen in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand u.a. die P-Straße in F. Nachdem die Zeugen bei dem Angeklagten Alkoholgeruch wahrnahmen, führten sie vor Ort mit dem Angeklagten einen Atemalkoholtest durch, der einen Wert von 1,48 ‰ ergab. Den Zeugen M und H war die Vorschrift des § 81a StPO bekannt. Ohne den Angeklagten explizit nach der Freiwilligkeit einer Blutentnahme zu befragen, wurde der Angeklagte nach Rücksprache mit dem Einsatzbearbeiter durch die Zeugen M und H zu einem Arzt verbracht, der die Blutentnahme beim Angeklagten durchführte. Es wurde vorher nicht versucht, einen Richter zu erreichen. Es befindet sich auch keine Dokumentation der Eilbedürftigkeit in der Akte. Die Ärztin stellte fest, dass der Angeklagte einen schwankenden Gang hatte, die plötzliche Kehrtwendung unsicher war und er beim Romberg-Test ein geringes Schwanken aufwies. Die Finger-Finger- und Nasen-Finger-Probe waren sicher, die Sprache deutlich und das Bewusstsein klar. Die ihm am 28.3.2009 um 07.25 Uhr entnommene Blutprobe hat eine Blutalkoholkonzentration von 1,78 ‰ ergeben. Diese Blutalkoholkonzentration bewirkt in jedem Falle Fahruntüchtigkeit. Die Fahruntüchtigkeit war ihm bewusst.
Am 27.3.2009 erhielt die Polizeiwache in F unter Bezugnahme auf einen Erlass des Ministeriums des Innern die Anweisung, dass der vor Ort befindliche Polizeibeamte auf Grund eigener Eilkompetenz wegen der Geschwindigkeit des Alkoholabbaus im Blut die Entnahme einer Blutprobe selbst anzuordnen hat. Die Beamten sollten entsprechend angewiesen werden.
Auf die Revision des Angeklagten hebt das OLG das Urt. des AG mit den Feststellungen auf und verweist die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des AG zurück.
Aus den Gründen:
“ … 1. Bereits die Sachrüge führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
a) Die von dem AG im Rahmen der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen zum subjektiven Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB tragen die Annahme vorsätzlicher Tatbegehung nicht.
Der Schuldspruch muss auf einer tragfähigen Beweisgrundlage aufbauen, die die objektiv hohe Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit des Beweisergebnisses ergibt (BVerfG NJW 2003, 2444, 2445). Die Beweiswürdigung ist dabei die ureigene Aufgabe des Tatrichters, die mit der Revision nur eingeschränkt überprüft werden kann. Sie muss jedoch vollständig und ohne Rechtsfehler sein (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 337 Rn 26 m.w.N.). Rechtsfehlerhaft ist die Beweisw...