“ … II. 2. Die Berufung der Bekl. war schon deshalb zurückzuweisen, weil die außerordentliche Kündigung eines Krankenversicherungsvertrages durch § 206 Abs. 1 S. 1 VVG ausgeschlossen ist. Auf die vom LG geprüfte Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung im vorliegenden Einzelfall gegeben ist, kommt es deshalb nicht an.
2.1. § 206 Abs. 1 S. 1 VVG lautet wie folgt: “Jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 erfüllt, ist durch den VR ausgeschlossen.’
In seiner Entscheidung vom 24.2.2011 (8 U 157/10) hat das OLG Celle dazu ausgeführt, dieser Wortlaut scheine nur eindeutig zu sein. Eine einschränkende Auslegung des § 206 Abs. 1 S. 1, wonach nur die außerordentliche Kündigung wegen Prämienverzuges ausgeschlossen sei, sei möglich (so auch Marko, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, § 206 Rn 2 ff.). Zur Begründung macht das OLG Celle geltend, dass die Frage, ob der Wortlaut die Grenze zulässiger Auslegung bestimme, offen bleiben könne, weil es eine genaue Grenze des sprachlich möglichen Wortsinns in der Regel nicht gebe (OLG Celle, a.a.O., juris Tz. 21).
Dem folgt der Senat nicht. Die Vorschrift ist klar formuliert (“jede Kündigung’) und erfasst deshalb alle Arten einer Kündigung, also gleichermaßen die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung. Besonders deutlich wird dies bei einem Blick auf die Stellung des § 206 Abs. 1 S. 1 VVG innerhalb der gesetzlichen Systematik. Im Folgenden Satz (§ 206 Abs. 1 S. 2) wird ausdrücklich und im Gegensatz zum vorhergehenden S. 1 nur die ordentliche Kündigung ausgeschlossen, “Jede Kündigung’ in § 206 Abs. 1 S. 1 VVG geht deshalb erkennbar über die “ordentliche Kündigung’ in S. 2 hinaus. Eine irgendwie geartete Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten einer außerordentlichen Kündigung, etwa zwischen solchen wegen Prämienverzuges einerseits und anderen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung, ist in dieser Vorschrift gerade nicht enthalten (“jede Kündigung’). § 206 Abs. 1 S. 1 VVG stellt deshalb ein absolutes Kündigungsverbot dar (so auch – ohne nähere Begründung – das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.6.2009, 1 BvR 706/08 … , juris Tz. 188 sowie Prölss/Martin/Voit, VVG, § 206 Rn 7 … ).
Über den Wortlaut des § 206 Abs. 1 S. 1 VVG und den Kontext mit S. 2 kann nach Ansicht des Senates auch nicht mit der Begründung hinweggegangen werden, dass ein vom Gesetzgeber gewollter dauerhafter Versicherungsschutz den Ausschluss der außerordentlichen Kündigung nicht erfordere.
Zur Begründung seiner gegenteiligen Ansicht stellt das OLG Celle auf den Bericht des BT-Ausschusses für Gesundheit vom 1.2.2007 ab (Drs. 16/4247), in dem es auf Seite 68 zur Neufassung der Vorgängervorschrift des § 178i VVG a.F. heißt:
“Durch diese Regelung soll der Versicherungsschutz dauerhaft aufrecht erhalten werden. Bisher verlieren Versicherte häufig ihre Altersrückstellungen dadurch, dass der VR ihnen kündigt, weil sie mit der Zahlung einer Folgeprämie in Verzug sind. Dies ist nunmehr ausgeschlossen. Der VR wird durch diese Regelung nur gering belastet, da der Leistungsanspruch des Versicherten nach § 178a Abs. 8 weitgehend ruht und während des Prämienzahlungsverzugs Säumniszuschläge geltend gemacht werden können.’
Nach Ansicht des Senats wird durch diesen Bericht der Wortlaut des Gesetzes allerdings nicht relativiert. Allein dadurch, dass der Ausschussbericht auf den vermutlich häufigsten Fall einer Vertragsverletzung, den Prämienverzug, abstellt, ergibt sich nämlich gerade nicht, dass die Kündigung wegen anderer Vertragsverletzungen trotz des insofern klaren Gesetzeswortlauts möglich bleiben sollte. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass sich der Gesetzgeber – wie das BVerfG in seiner Entscheidung vom 10.6.2009 näher begründet hat – in verfassungsrechtlich zulässiger Weise für ein absolutes Kündigungsverbot entschieden und dabei auch die Krankenkassen in die Pflicht genommen hat (BVerfG, a.a.O. juris Tz. 190). Der früher in der Literatur geltend gemachte Hinweis, dass ein Kündigungsverbot auch für den Fall einer vorsätzlich schädigenden Handlung des Versicherten gegen Art. 12 des Grundgesetzes verstoße (so Marko, in: Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, § 206 Rn 5 m.w.N, vgl. dazu auch Hütt, in: Langheid/Wandt, VVG, 2009, § 206 Rn 47) ist damit gegenstandslos geworden.
Zudem kann die Abwägung der im Fall einer außerordentlichen Kündigung widerstreitenden Interessen nicht allein zwischen denjenigen des Versicherten und denjenigen des VR erfolgen, denn die Versicherungspflicht besteht ja gerade auch im Interesse der Allgemeinheit, nicht für die Kosten der Behandlung des Einzelnen aufkommen zu müssen (siehe dazu Eichelberger, VersR 2010, 886, 887).
2.2. Die Krankenversicherung des Kl. fällt auch unter § 206 Abs. 1 S. 1 VVG, denn dadurch hat er seiner Versicherungspflicht gem. § 193 Abs. 3 S. 1 VVG genügt … “
Hinweis der Schriftleitung: Das OLG Brandenburg (zfs 2011, 396) hält die fristlose Kündigung für zulässig.