VVG § 81 Abs. 2; StPO § 81a
1. Bei Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit (ab ca. 0,3 Promille) wird i.d.R. mit einer Kürzungsquote von 50 % zu beginnen sein. Diese Quote steigt nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 % bei Erreichen der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille. Die so gefundene Quote kann korrigiert werden, wenn besondere Umstände das Maß des Verschuldens in einem anderen Licht erscheinen lassen. Hier: Geradeausfahren in einer Linkskurve bei 0,59 Promille
(amtlicher Leitsatz)
2. Das Ergebnis einer im Ermittlungsverfahren entnommenen Blutprobe kann jedenfalls dann verwertet werden, wenn der Betroffene in die Entnahme eingewilligt hat.
OLG Hamm, Urt. v. 25.8.2010 – 20 U 74/10
Aus den Gründen:
“Die zulässige Berufung der Kl. ist teilweise begründet. Die Kl. kann aus der Fahrzeugvollversicherung Leistung i.H.v. 50 % ihres Fahrzeugschadens verlangen; ein weitergehender Anspruch ist nicht gegeben, weil die Bekl. berechtigt ist, ihre Leistung um 50 % zu kürzen.
Die Kl. hat den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt; der Schwere ihres Verschuldens entspricht eine Leistungskürzung von 50 %.
I. Grds. ist der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG im Falle der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer zu einer der Schwere des Verschuldens entsprechenden Kürzung der Leistung berechtigt.
Zwar hat die Bekl. in Ziffer A.2.8.1. Abs. 2 der vereinbarten ‘Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008)’ gegenüber der Kl. bei grob fahrlässiger Herbeiführung des Schadens auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit verzichtet. Nach Abs. 3 S. 1 dieser AVB gilt dieser Verzicht jedoch nicht bei Herbeiführung des Versicherungsfalls infolge des Genusses alkoholischer Getränke. In diesem Fall hat sich die Bekl. in Abs. 3 S. 2 das Recht ‘zur Kürzung’ in einem der Schwere des Verschuldens entsprechenden Verhältnis vorbehalten. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
II. Die Kl. hat den Versicherungsfall infolge des Genusses alkoholischer Getränke grob fahrlässig herbei geführt. Versicherungsfall ist hier die Beschädigung des eigenen Fahrzeugs durch den Unfall vom 15.8.2008, den die Kl. grob fahrlässig herbeigeführt hat.
1. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Dabei muss es sich auch in subjektiver Hinsicht um ein unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (BGH VersR 2003, 364).
Bei absoluter Fahruntüchtigkeit unter Überschreitung des Grenzwertes von 1,1 Promille ist grds. von grober Fahrlässigkeit auszugehen. In diesem Fall wird im Wege des Beweis des ersten Anscheins auch die Kausalität zwischen Alkoholbeeinflussung und Herbeiführung des Versicherungsfalles vermutet. Zur Entkräftung muss der hierfür beweispflichtige Versicherungsnehmer Umstände nachweisen, aus denen sich die ernsthafte und nicht nur theoretische Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs ergibt. Das Führen eines Kfz in alkoholbedingt fahruntüchtigem Zustand stellt einen groben Verstoß gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt dar, so dass daraus i.d.R. auch das gesteigerte Verschulden folgt.
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2. Zu Recht hat das LG die Feststellung einer Blutalkoholkonzentration bei der Kl. zum Unfallzeitpunkt von 0,59 Promille durch urkundsbeweisliche Verwertung des in der beigezogenen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemachten Strafakte befindlichen Befundberichts über die Untersuchung auf Ethanolkonzentration des Institutes für Rechtsmedizin in G. vom 19.8.2009 getroffen.
a) Entgegen der Rüge der Berufung hat es sich dabei nicht um eine unzulässige, gegen § 286 ZPO verstoßende vorweggenommene Beweiswürdigung gehandelt. Vielmehr handelt es sich bei der Verwertung dieses Gutachtens um eine zulässige urkundsbeweisliche Verwertung.
Um einen solchen Urkundsbeweis handelt es sich, wenn auf Antrag einer Partei ein Gutachten beigezogen und verwertet wird. Hier hatte sich die Bekl. in ihrer Klageerwiderung auf die ‘amtliche Ermittlungsakte’ bezogen; das LG hat im Termin zur mündlichen Verhandlung die genannten Blätter zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Der Senat hat die gesamte Strafakte zum Gegenstand seiner mündlichen Verhandlung gemacht. Als Gegenstand der mündlichen Verhandlung gehört das Gutachten damit zu den Umständen, die das Gericht gem. § 286 ZPO der Entscheidung über die Wahrheit oder Unwahrheit der bestrittenen Parteibehauptung zugrunde zu legen hat (BGH NJW 2006, 3496, 3498).
Da die Kl. erstinstanzlich nur äußerst pauschal die Fehlerhaftigkeit der ‘Messung’ geltend gemacht hat, war dieser Einwendung mangels jeglichen Tatsachenbezugs nicht nachzugehen, so dass urkundlich festzustellen ist, dass aus dem Sachverständigengutachten eine Blutalkoholkonzentration der Kl. von 0,59 Promille folgt. Die Richtigkeit dieser Begutachtung wird im Übrigen untermauert durch den Ums...