VVG § 81 Abs. 2
Verursacht der Versicherungsnehmer eines kaskoversicherten Kraftfahrzeuges im Zustand alkoholbedingt absoluter Fahruntüchtigkeit einen Schaden, darf der Kaskoversicherer die Versicherungsleistung vollständig versagen.
OLG Dresden, Urt. v. 15.9.2010 – 7 U 466/10
Aus den Gründen:
“Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Ersatz des Fahrzeugschadens, weil er den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hat (§ 81 Abs. 2 VVG).
1. Der Kläger hat den Unfall selbst herbeigeführt.
Der Senat kann sich insoweit allerdings nicht auf die entsprechende Feststellung des LG stützen. Denn die Auffassung des LG, der Kläger müsse zumindest vortragen, durch welchen berechtigten Fahrer das Fahrzeug geführt wurde, ist unzutreffend. Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 81 VVG liegen bei der Beklagten. Soweit dem Kläger tatsächlich jede Erinnerung an den Unfall fehlt, was ihm nicht zu widerlegen ist, kann er sich auf den Unfall hinsichtlich des Unfallhergangs und somit auch der Frage, wer das Fahrzeug gefahren hat, auf sein Nichtwissen berufen.
Die Fahrereigenschaft des Klägers steht aber fest auf Grund der Gesamtumstände, die die Beklagte erstmals in der zweiten Instanz ausdrücklich vorgetragen hat. Der Vortrag ist auch zu berücksichtigen. § 531 Abs. 2 ZPO steht dem nicht entgegen. Denn die vorgetragenen Indizien sind unstreitig. Unstreitiges Vorbringen ist in der Berufungsinstanz aber immer zu berücksichtigen. …
Dafür, dass der Kläger gefahren ist und auch den Unfall dabei verursacht hat, spricht, dass er von der Zeugin S unmittelbar nach dem Unfall bei seinem Fahrzeug gesehen wurde. Er befand sich auch im Besitz der Fahrzeugschlüssel. Weitere Personen sind bei dem Fahrzeug nicht gesehen worden. (wird ausgeführt)
2. Der Kläger hat dem Unfall auch grob fahrlässig herbeigeführt. …
Grob fahrlässiges Handeln des Klägers sieht der Senat – entgegen dem LG – allerdings nicht darin, dass der Kläger keine hinreichenden Maßnahmen getroffen hat, sich selbst eine Fahrt im alkoholisierten zustand unmöglich zu machen.
Hierauf kommt es aber im Ergebnis nicht an, denn der Kläger hat den Unfall nicht, wie vom LG unterstellt, im schuldunfähigen Zustand verursacht.
Der Kläger kann nicht nachweisen, dass er schuldunfähig war. Im Rahmen des § 81 VVG ist die Vorschrift des § 827 BGB entsprechend anzuwenden. … Damit trifft den Kläger die Beweislast dafür, dass er sich im Zustand der Bewusstlosigkeit oder in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hat.
Der Senat hat insoweit das im Strafverfahren eingeholte mündliche Sachverständigengutachten des Sachverständigen verwertet (§ 411a ZPO). Der Sachverständige hat zwar festgestellt, dass ein Vollrausch des Klägers zum Unfallzeitpunkt nicht ausgeschlossen werden kann. Sicher feststellen konnte er den Vollrausch jedoch nicht. Er führte aus, dass insb. das Telefonieren am Unfallort gegen einen Vollrausch spreche. Als Blutalkoholkonzentration hat er im Wege der Rückrechnung 3,18 Promille ermittelt. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich um eine Rückrechnung handelt, bei der zugunsten des Klägers, des Angeklagten, ein möglichst hoher Wert errechnet werden musste. Da der Kläger im vorliegenden Verfahren die Beweislast dafür trägt, dass er sich in einen einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand befunden hat, kann lediglich von den Rückrechnungsgrundsätzen ausgegangen werden, nach denen eine Mindestblutalkoholkonzentration errechnet wird. Die Blutalkoholkonzentration wäre demnach deutlich niedriger als 3,18 Promille. Aber selbst bei einer Blutalkoholkonzentration in dieser Höhe kann nicht automatisch auf Schuldunfähigkeit geschlossen werden. … Der Annahme der Schuldunfähigkeit entgegenstehende Anhaltspunkte hat der Sachverständige aber gerade festgestellt.
Grobe Fahrlässigkeit erfordert darüber hinaus auch in subjektiver Hinsicht ein gesteigertes Verschulden. Die entsprechende Anwendung des § 827 BGB im Rahmen des § 81 VVG bedeutet nicht, dass der Versicherer damit auch der ihm obliegenden Beweislast für die subjektiven Voraussetzungen grober Fahrlässigkeit enthoben wäre. Eine erheblich verminderte Einsichts- und Hemmungsfähigkeit kann bei der Feststellung grober Fahrlässigkeit nicht außer Betracht bleiben. Sie schließt indessen die Annahme des für grobe Fahrlässigkeit erforderlichen gesteigerten Verschuldens nicht von vornherein aus. Grobe Fahrlässigkeit kann trotz erheblich eingeschränkter Einsichts- und Hemmungsfähigkeit zu bejahen sein, wenn ganz elementare Verhaltensregeln verletzt werden, deren Einhaltung auch in diesem Zustand unbedingt erwartet werden muss. So verhält es sich i.d.R. bei der Trunkenheitsfahrt. … Im vorliegenden Fall bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Kläger in seiner Einsichts- und Hemmungsfähigkeit so erheblich eingeschränkt war, dass die Einhaltung einer der elementarsten Verkehrsregeln überhaupt, nämlich des Verbots des Führens von Kraftfahr...