Die Anforderungen an die tatrichterlichen Feststellungen bei einer Ahndung wegen verbotswidrigem Überholen mit Gefährdung sind obergerichtlich geklärt.
Im Detail:
a) Nach § 5 Abs. 1 und 2 StVO darf nur überholen, wer übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist. Um nachträglich beurteilen zu können, ob ein Überholvorgang dieser Voraussetzung entsprochen hat, sind demnach neben der Mitteilung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und Straßenbreite, Feststellungen dazu erforderlich, an welcher Stelle der Überholvorgang noch gefahrlos abgebrochen werden konnte, wie weit der Überholende von dort aus die Gegenfahrbahn einsehen konnte und wie lang die Strecke war, die er noch zum Überholen benötigte. Wenn diese Strecke nicht abgemessen worden ist, ist die Kenntnis der Geschwindigkeiten des Überholenden und des Überholten sowie die Längen beider Fahrzeuge erforderlich, um die Überholstrecke errechnen zu können.
b) Das Überholen eines anderen Fahrzeugs bei gleichzeitiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit verstößt für sich genommen nicht gegen §§ 5 Abs. 2 S. 2, 49 Abs. 1 Nr. 5 StVO, so dass eine gleichzeitige Verurteilung eine Doppelsanktionierung desselben Verhaltensunwerts darstellen würde. Nach § 5 Abs. 2 S. 2 StVO ist nicht das Überholen unter Begehung einer Geschwindigkeitsüberschreitung verboten, sondern es wird eine bestimmte Mindestgeschwindigkeit des überholenden Fahrzeugs gefordert. Darüber hinaus ist Zweck dieser Regelung, die Risiken des Überholvorgangs dadurch zu verringern, dass er zügig und auf möglichst kurzer Strecke durchgeführt wird.
c) Wer überholt, obwohl er nicht übersehen kann, dass während des ganzen Überholvorgangs jede Behinderung des Gegenverkehrs ausgeschlossen ist, verstößt nur gegen § 5 Abs. 2 S. 1 StVO, da diese Vorschrift das unzulässige Überholen bei unklarer Verkehrslage (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO) verdrängt. Den gerichtlichen Feststellungen muss hinreichend zu entnehmen sein, ob der Betroffene den Überholten und den Gegenverkehr i.S.v. § 1 Abs. 2 StVO gefährdet hat oder ob insoweit nur Behinderungen (§ 5 Abs. 2 S. 1 und Abs. 4 S. 4 StVO) eingetreten sind.
d) Das Gericht muss auf der subjektiven Seite wenigstens Fahrlässigkeit des Überholenden feststellen. Ein Mitverschulden des Unfallgegners ist nur dann geeignet, die Vorhersehbarkeit eines Unfalls für den fahrlässig handelnden Betroffenen auszuschließen, wenn es in einem gänzlich vernunftwidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht.
e) Ergänzend sollte noch beachtet werden, dass sich bei Verstößen gegen das Überholverbot typischerweise Abgrenzungsfragen im Bereich Tatmehrheit/Tateinheit stellen. Unproblematisch liegen mehrere prozessuale Taten vor, wenn zwischen den Verstößen längere Pausen liegen oder die Fahrt verkehrsbedingt unterbrochen wurde. Bei Tateinheit besteht auch nur eine prozessuale Tat, ebenso bei dem Sonderfall der natürlichen Handlungseinheit, so dass dann nach § 19 OWiG nur eine Geldbuße, ggf. erhöht, ausgeurteilt wird.