Die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg ist im Ergebnis zutreffend. Sie beleuchtet ein Problem, das in der anwaltlichen Praxis vielfach gar nicht als Problem wahrgenommen wird, was dann zu Vergütungsverlusten führen kann. Da der VGH seine Ausführungen sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht sehr knapp gehalten hat, soll hier etwas ausführlicher zu den hier zur Entscheidung stehenden Fragen Stellung genommen werden.
I. Mehrfacher Gebührenanfall
Der Prozessbevollmächtigte einer Partei verwirklicht den Tatbestand der Verfahrensgebühr – hier nach Nr. 3100, 3101 VV RVG – im Laufe seiner Prozessführung meist mehrfach. Die Information des Mandanten löst bereits die 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG aus. Reicht der Anwalt dann für den Mandanten die Klageschrift ein, verdient er die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (siehe Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG). Nimmt der Rechtsanwalt dann zu der Klageerwiderungsschrift des Beklagten schriftsätzlich mit Sachvortrag Stellung, löst dies die 1,3 Verfahrensgebühr erneut aus. Die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung lässt die 1,3 Verfahrensgebühr wiederum anfallen. Weitere nach dem Verhandlungstermin entfaltete Tätigkeiten lösen die – volle oder ermäßigte – Verfahrensgebühr erneut aus.
Dem steht die Bestimmung des § 15 Abs. 2 RVG nicht entgegen. Aus § 15 Abs. 2 RVG folgt lediglich, dass der Prozessbevollmächtigte, der in derselben Angelegenheit den Gebührentatbestand mehrfach verwirklicht hat, die Gebühr nur einmal fordern kann. Das heißt hier, dass der Prozessbevollmächtigte der Kl., der durch verschiedene Tätigkeiten zunächst die 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV RVG und sodann durch weitere Tätigkeiten die 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG – diese sogar mehrfach – verdient hat, insgesamt nur eine Verfahrensgebühr nach dem höchsten Gebührensatz und dem – was hier keine Rolle spielte – höchsten Gegenstandswert berechnen kann.
II. Auswirkungen des Ruhens des Verfahrens
1. Fälligkeit
Die Anwaltsvergütung wird fällig, wenn einer oder sogar mehrere der in § 8 Abs. 1 RVG aufgeführten Fälligkeitstatbestände erfüllt sind. Hier kam der in § 8 Abs. 1 S. 2 letzter Fall RVG genannte Fälligkeitstatbestand zur Anwendung, wonach die Vergütung dann fällig wird, wenn das Verfahren länger als drei Monate ruht. Ein solches Ruhen des Verfahrens bedarf also keiner förmlichen Anordnung des Ruhens gem. § 251 ZPO. Vielmehr ruht das Verfahren im Sinne der Fälligkeitsbestimmung des § 8 Abs. 1 S. 2 RVG dann, wenn mehr als drei Monate lang nichts veranlasst wird, das Verfahren also tatsächlich ruht (siehe OLG Karlsruhe NJW-Spezial 2008, 92). Dies gilt auch im Falle der Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei. Dauert die hierdurch veranlasste Unterbrechung des Rechtsstreits mehr als drei Monate, wird die Vergütungsforderung wegen des tatsächlichen Ruhens des Verfahrens fällig (siehe AnwKom-RVG/Schneider/Wolf, 7. Aufl., § 8 Rn 99). Aus welchen rechtlichen Gründen das Verfahren ruht, spielt für den Eintritt der Fälligkeit der Vergütung keine Rolle.
2. Verjährung
Der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB, die drei Jahre beträgt. Für die Verjährung des Vergütungsanspruchs des als Prozess- oder Verfahrensbevollmächtigter in einem gerichtlichen Verfahren tätigen Anwalts trifft § 8 Abs. 2 RVG eine vom materiellen Recht des BGB abweichende Sonderregelung. Nach § 8 Abs. 2 S. 1 RVG wird die Verjährung der Vergütung in einem solchen Fall gehemmt, solange das gerichtliche Verfahren anhängig ist, was hier der Fall gewesen ist. Allerdings endet die Hemmung der Verjährung im Falle des Ruhens des Verfahrens nach § 8 Abs. 2 S. 3 RVG drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit. Wird das Verfahren dann weiterbetrieben, beginnt die Hemmung nach § 8 Abs. 2 S. 4 RVG erneut.
III. Verjährung im Fall des VGH Baden-Württemberg
Da der VGH Baden-Württemberg leider keine Tatsachen zu den Einzelheiten des Verfahrens mitgeteilt hat, kann hier nur allgemein auf die Rechtslage eingegangen werden. Die Vergütung des Prozessbevollmächtigten der Kl. wurde fällig, als nach Eintritt des Ruhens des Verfahrens mehr als drei Monate verstrichen waren. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährung der Vergütung nach § 8 Abs. 2 S. 1 RVG noch gehemmt, weil das gerichtliche Verfahren weiter anhängig war. Erst drei Monate nach Eintritt der Fälligkeit entfiel die Hemmung der Verjährung. In der Folgezeit ist dann offensichtlich die Verjährungsfrist abgelaufen. Dies gilt allerdings nur für den Vergütungsanspruch, den der Prozessbevollmächtigte der Kl. bis zum Ruhen des Verfahrens erworben hatte. Der danach durch weitere Tätigkeiten ausgelöste Vergütungsanspruch des Anwalts war hingegen nicht verjährt. Für diesen Teil des Vergütungsanspruchs begann unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen unter II. 2. nach Fälligkeit der Vergütung eine neue Verjährungsfrist zu laufen, die bei Stell...