"… [8] II. Die nach § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht hat mit Recht trotz der erfolgten Rücknahme der Berufung des Kl. die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten der (Berufungs-)Beklagten für das Berufungsverfahren in Höhe einer 1,1-fachen Verfahrensgebühr gem. Nr. 3201 VV RVG aus dem Gebührenwert von 70.000 EUR festgesetzt."
[9] 1. Nach § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hat die unterliegende Partei – und im Fall des § 516 Abs. 3 ZPO der Berufungskläger – die dem Gegner erwachsenen Kosten zu tragen, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren.
[10] 2. Maßstab für die Notwendigkeit von Kosten zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung i.S.d. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ist, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die Kosten auslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt als sachdienlich ansehen durfte. Abzustellen ist mithin auf die Sicht der Partei in der konkreten prozessualen Situation und dann zu beurteilen, ob ein objektiver Betrachter aus diesem Blickwinkel die Sachdienlichkeit bejahen würde. Die Notwendigkeit bestimmt sich daher aus der "verobjektivierten" ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei und nicht nach einem rein objektiven Maßstab (BGH, Beschl. v. 7. 2. 2018 – XII ZB 112/17, zfs 2018, 344 m. Anm. Hansens = RVGreport 2018, 178 [Hansens] = AGS 2018, 251 u. Beschl. v. 25.1.2017 – XII ZB 447/16, RVGreport 2017, 143 [ders.] = AGS 2017, 248).
[11] 3. Da die seitens der Prozessbevollmächtigten der Bekl. erbrachte anwaltliche Tätigkeit im Streitfall in Unkenntnis der Berufungsrücknahme erfolgte, war diese Tätigkeit im damaligen Zeitpunkt aus der maßgebenden Sicht einer verständigen und wirtschaftlich vernünftig denkenden Partei zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig i.S.v. § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Darauf, dass es der Beauftragung eines Anwalts in Anbetracht der zuvor erfolgten Rücknahme der Berufung objektiv nicht mehr bedurfte, kommt es – entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde – nicht an.
[12] a) Soweit sich die Rechtsbeschwerde zur Begründung ihrer gegenteiligen Auffassung auf einen Beschluss des III. ZS vom 25. 2. 2016 (III ZB 66/15, BGHZ 209, 120–127 = zfs 2016, 285 m. Anm. Hansens = RVGreport 2016, 186 [Hansens] = AGS 2016, 252) stützt, dringt sie nicht durch. In jenem Fall hatte der Berufungsbeklagte durch Zugang des Hinweises gem. § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO Kenntnis von der Absicht des Berufungsgerichts erlangt, die Berufung zurückzuweisen. Aus der Sicht einer vernünftig und wirtschaftlich denkenden Partei bestand daher kein Anlass, durch Anwaltsschriftsatz einen Berufungsgegenantrag zu stellen.
[13] b) Auch die Entscheidung des I. ZS des BGH zu den Kosten für eine Schutzschrift, die nach Rücknahme des Antrags auf einstweilige Verfügung eingereicht wurde, steht der vorliegenden Entscheidung nicht entgegen. Soweit darin ein rein objektiver Maßstab zugrunde gelegt wurde (Beschl. v. 23. 11. 2006 – I ZB 39/06, RVGreport 2007, 348 [ders.] = AGS 2007, 477), tragen die Ausführungen hierzu die Entscheidung nicht, weil die verfahrensgegenständlichen Kosten bereits vor der Rücknahme angefallen waren (vgl. BGH, Beschl. v. 7.2.2018 – XII ZB 112/17, RVGreport 2017, 143 [Hansens] = AGS 2017, 248). Entsprechendes gilt für die Entscheidung des I. ZS zu Kosten für den Zurückweisungsantrag in einem Berufungsverfahren, in welcher die Erstattungsfähigkeit der reduzierten Verfahrensgebühr schon nicht angegriffen war (Beschl. v. 5.10.2017 – I ZB 112/16, RVGreport 2018, 143 [ders.] = AGS 2018, 154).
[14] c) Schließlich ist das im Streitfall gefundene Ergebnis auch sachgerecht. Die mit einem Rechtsmittel überzogene Partei kann regelmäßig nicht selbst beurteilen, was zur Rechtsverteidigung zu veranlassen ist. Ihr kann daher nicht zugemutet werden, zunächst die weiteren Entschließungen des anwaltlich vertretenen Berufungsklägers abzuwarten (BGH, Beschl. v. 17. 12. 2002 – X ZB 9/02, BRAGOreport 2003, 53 = AGS 2003, 219; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., Nr. 3201 VV RVG Rn 52). Dieser hat es vielmehr in der Hand, durch seinen Prozessbevollmächtigten die Gegenseite von einer (eventuell) beabsichtigten Berufungsrücknahme frühzeitig zu informieren. …“