"… [20] 1. Dem Kl. steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch zu."
[21] a) Der Kl. hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 826 BGB, weil es an einem sittenwidrigen Verhalten fehlt. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch die umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (BGH, Urt. v. 19.11.2013 – VI ZR 336/12, juris Rn 9).
[22] Der Kl. beruft sich hinsichtlich der von ihm behaupteten unzulässigen Abschalteinrichtung nunmehr auf das Thermofenster. Dass eine andere Abschalteinrichtung eingebaut sei, behauptet der Kl. nicht. Er hatte hierzu auch in erster Instanz ohnehin nur unspezifisch unter Hinweis auf andere Fahrzeugtypen, die die Bekl. hergestellt hat, verwiesen. Daraus kann aber ein Rückschluss auf den vorliegenden Fahrzeugtyp nicht gezogen werden. Der Senat schließt sich insofern den Ausführungen des LG an.
[23] Der Vortrag des Kl. zum Thermofenster ist zu berücksichtigen, obwohl er erstmals in der zweiten Instanz vorgebracht wurde. Denn dass das Fahrzeug mit einem Thermofenster ausgerüstet ist, ist unstreitig. In einem solchen Fall ist das Vorbringen in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, selbst wenn dadurch eine neue Beweisaufnahme notwendig würde (BGH, Beschl. v. 13.1.2015 – VI ZR 551/13, juris Rn 5).
[24] Die Verwendung eines Thermofensters verstößt aber nicht gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden. Es kann dabei dahinstehen, ob das Thermofenster – aus Sicht des Senats – eine unzulässige Abschalteinrichtung gem. Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) 715/2007 darstellt. Eine solche Ausrampung der Abgasrückführungsmenge wurde jedenfalls von vielen Herstellern standardmäßig in Dieselmotoren verwendet. Der Kl. hat zwar den Vortrag der Bekl. bestritten, dass alle Dieselhersteller Thermofenster nutzten. Ob alle Dieselhersteller die Abgasrückführungsrate mittels Thermofenster steuern oder nur einige, ist letztlich nicht entscheidungserheblich. Es ist indes allgemeinkundig und bedarf daher keines Beweises (§ 291 ZPO), dass viele Hersteller solche Steuerungen verwenden. Das ergibt sich aus dem ausführlichen Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/VerkehrUndMobilitaet/Strasse/bericht-untersuchungskommission-volkswagen.pdf). Die Untersuchungskommission führte darin aus (S. 18 f.), dass für das sog. Ausrampen der AGR-Menge in Abhängigkeit von der Umgebungstemperatur alle befragten Hersteller das Risiko einer Belagbildung im AGR-System als Grund angeführt hätten. Dieses Risiko sei zweifelsfrei vorhanden und mit herstellerunabhängigen Forschungsprojekten bestätigt. Es seien auch Schäden bekannt, welche unmittelbar den Ausfall des Motors zur Folge hätten. Neben einem möglichen Motorschutz sei noch ein weiterer Gesichtspunkt heranzuziehen. Bei einem nicht mehr zuverlässig funktionierenden AGR-Ventil komme es zu einer merklichen Verminderung der AGR-Menge, die wiederum eine NOx-Erhöhung zur Folge habe. Somit könnten letztlich Strategien zur Ausrampung der AGR-Menge als Maßnahme zur Sicherstellung der Emissionskontrolle angesehen werden.
[25] Bei dieser Sachlage ist in dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen, die mit einem Thermofenster ausgerüstet sind, kein sittenwidriges Verhalten zu sehen. Denn selbst wenn man der Auffassung des Kl. folgen würde, dass das Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, weil es andere technische Möglichkeiten gegeben hätte, gleichwohl die Stickoxid-Emissionen gering zu halten, und dies die Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. 5 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausschlösse, könnte nicht festgestellt werden, dass die Bekl. gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen hätte. Die Thermofenster sind, wie dargelegt, bei der Regelung der Abgasrückführung in Dieselmotoren weit verbreitet, von den Zulassungsbehörden anerkannt und selbst noch im Untersuchungsbericht als offenbar zulässig und sinnvoll angesehen worden.
[26] Es fehlte auch an einem Vorsatz hinsichtlich einer Schädigung der Käufer der betroffenen Fahrzeuge. Da die Thermofenster allgemein als zulässig angesehen werden, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Mitarbeiter der Bekl., die die Entscheidung getroffen haben, ein solches Thermofenster zu verwenden, den Vorsatz hatten, Fahrzeuge auf den Markt zu bringen, die an sich nicht zulassungsfähig gewesen wären.
[27] b) Der Kl. hat auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. mit ...