GKG § 28 Abs. 1 S. 2 § 66 Abs. 1; GKG KV Nr. 9000 Nr. 1b; ZPO § 130a
Leitsatz
Eine Partei, die einen Schriftsatz gemäß § 130a ZPO formwirksam als elektronisches Dokument einreicht, ist nicht gehalten, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften in Papierform nachzureichen. Aus diesem Grund kann die zusätzliche Übermittlung per Telefax einer erforderlichen Anfertigung einer Mehrfertigung nicht gleichstehen und deshalb den Anfall einer Dokumentpauschale nach Nr. 9000 Ziffer 1 Buchstabe b Halbsatz 2 KV-GKG nicht begründen. Einer entsprechenden Anwendung dieser Kostenvorschrift steht das kostenrechtliche Analogieverbot entgegen.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.3.2021 – 2 U 3607/20
Sachverhalt
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Amberg vom 9.11.2020 begründete seine Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 8.2.2021. Dieser Schriftsatz wurde vom sachbearbeitenden Rechtsanwalt am 9.2.2021 um 4.25 Uhr elektronisch über das besondere Anwaltspostfach bei Gericht eingereicht. Wenig später, nämlich am 9.2.2021 um 4.29 Uhr sowie nochmals um 4.37 Uhr, ging der 29-seitige Schriftsatz weitere zweimal per Telefax ein und wurde von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt. In der Folge setzte die Kostenbeamtin des OLG Nürnberg am 9.2.2021 für den Ausdruck der beiden Telefaxe für insgesamt 58 Seiten nach Nr. 9000 Nr. 1b GKG KV gegen die Beklagtenvertreterin persönlich eine Dokumentenpauschale in Höhe von insgesamt 26,20 EUR an.
Gegen diesen Gerichtskostenansatz hat die die Beklagtenvertreterin Erinnerung mit der Begründung eingelegt, dieser verstoße gegen Art. 103 GG, der den freien Zugang zu den Gerichten mitumfasse. Ein Anspruch der Justizbehörden, Schriftsätze nur in bestimmter Anzahl oder nur auf einem Versandweg zu erhalten, existiere nicht. Es liege auch keine Mehrfertigung vor, wenn bei einer bedeutsamen Berufungsbegründungsfrist aus Sicherheitsgründen neben dem Versand über das besondere Anwaltspostfach auch der allgemeine Telefaxzugang genutzt werde. Die doppelte Einreichung über Telefax beruhe darauf, dass ein Telefax zunächst nicht erfolgreich versandt worden sei. Es seien durch den Ausdruck auch keine Schreibauslagen entstanden.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.
Die Bezirksrevisorin bei dem OLG Nürnberg hat beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen. Die Staatskasse verweist darauf, dass nach der Übermittlung als elektronisches Dokument die Mehrfacheinreichung des gleichen Schriftsatzes auf einem weiteren Übermittlungsweg nicht mehr notwendig gewesen sei und zu einem Mehraufwand geführt habe. Weil die zweimal per Telefax übersandte Berufungsbegründung bei Gericht ausgedruckt worden sei, sei nach Nr. 9000 Nr. 1 b HS 2 GKG KV eine Dokumentenpauschale angefallen. Dabei habe es die Beklagtenvertreterin zu verantworten, dass die Berufungsbegründung neben der elektronischen Einreichung unnötigerweise noch zweimal per Telefax übermittelt worden sei, weshalb sie hafte. Die Einreichung von – überzähligen – Schriftsätzen werde nicht begrenzt. Die Kostenpflicht resultiere daraus, dass die Beklagtenvertreterin für den Ausdruck der Mehrfertigungen die Empfangseinrichtungen des Gerichts in Anspruch genommen habe. Das rechtliche Gehör werde dadurch nicht verletzt.
2 Aus den Gründen:
…“II.
[8] Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen zulässige Erinnerung gegen den Kostenansatz vom 9.2.2021 hat in der Sache Erfolg.
[9] Es steht außer Frage, dass die zusätzliche Einreichung eines (inhaltlich identischen) Schriftsatzes, der bereits zuvor elektronisch über das besondere Anwaltspostfach übermittelt worden ist, per Telefax letztlich dem System des elektronischen Rechtsverkehrs zuwiderläuft. Das gilt insbesondere dann, wenn das Telefax als weitere Form der Übermittlung von einem Rechtsanwalt "aus Sicherheitsgründen" gewählt wird. Denn bei der Übersendung von Schriftstücken an das Gericht über das besondere Anwaltspostfach geht sofort eine automatisierte Eingangsbestätigung ein (§ 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO). Hierdurch erlangt der Absender gerade unmittelbar Gewissheit darüber, ob eine Übermittlung an das Gericht erfolgreich war oder ob weitere Bemühungen zur erfolgreichen Übermittlung des elektronischen Dokuments erforderlich sind (BT-Drucksache 17/12634, Seite 26).
[10] Ungeachtet dessen ist eine Kostenerhebung auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG, Nr. 9000 Nr. 1b Halbsatz 2 GKG KV aber nicht möglich, da es sich bei den Telefaxen nicht um Mehrfertigungen des Schriftsatzes vom 8.2.2021 handelt, die von einer Empfangseinrichtung des Gerichts ausgedruckt wurden. Auch weitere Kostenvorschriften sind nicht einschlägig. Insofern kann auch dahingestellt bleiben, ob die Prozessbevollmächtigte des Beklagten Kostenschuldnerin sein kann.
[11] 1. Die Regelung in § 28 Abs. 1 Satz 2 GKG, Nr. 9000 Nr. 1b GKG KV ist im Zusammenhang mit der aus § 133 Abs. 1 Satz 1 ZPO resultierenden prozessualen Pflicht der Parteien zu sehen, die erforderliche Anzahl von Abschriften der Schriftsätze als auch deren ...