I. Die Parteien streiten um materiellen und immateriellen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall am Vormittag des 17.6.2018 in M. bei B. (Kreis R-E. Einmündung von der B4 in Richtung D-moor).
Der Zeuge C. fuhr mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug auf der Bundesstraße 4 in Fahrtrichtung N. Er beabsichtigte nach links in die Straße H. einzubiegen. Der Kläger fuhr mit einem Motorrad der Marke Honda CBR 900 Fireblade SC 33 (EZ 13.6.1997) hinter dem Beklagtenfahrzeug und setzte zum Überholen an. Hierdurch kam es zum Unfall dessen Einzelheiten zwischen den Parteien streitig sind. Streitig ist insbesondere ob und wann der Zeuge C. den Fahrtrichtungsanzeiger betätigte.
Durch den Unfall wurde der Kläger (geb. 1974) verletzt und musste stationär sowie ambulant behandelt werden. Er erlitt eine Sprengung des Schultergelenks links (Typ Rockwood 5, also mit Riss sowohl des Bandapparats als auch der Muskulatur), Schürfwunden und im Behandlungsverlauf eine Wundheilungsstörung. Die Bewegungsfähigkeit der Schulter ist dauerhaft beeinträchtigt. Der Kläger kann den linken Arm nicht mehr über die Horizontalebene heben. Für die weiteren Einzelheiten zum Behandlungsverlauf wird auf die Darstellung im angefochtenen Urteil verwiesen.
Der Kläger hat mit der Klage neben umfassender Feststellung die Beklagte auf Zahlung von Verdienstausfallschaden und Schmerzensgeld in Anspruch genommen, hierbei wurde der begehrte Verdienstausfall bis Ende März 2020 mit 33.858,43 EUR und Übrigen als monatliche Zahlung in Höhe von 3.183,20 EUR bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze geltend gemacht. Der Kläger ist Linkshänder und hat vor dem Unfall als Maler bei einer dänischen Zeitarbeitsfirma gearbeitet. Seit Dezember 2018 bezieht er Leistungen vom Jobcenter N. Ausweislich des Rückübertragungs- und Abtretungsvertrages vom 21.2.2022 vereinbarte der Kläger mit dem Jobcenter eine Rückübertragung der auf das Jobcenter übergegangenen Schadensersatzansprüche zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung. Die Beklagte zahlte zur Erfüllung eines Schmerzensgeldanspruchs an den Kläger insgesamt 6.000,00 EUR (2.000,00 EUR am 15.8.2018, 1.000,00 EUR am 5.11.2018, 3.000,00 EUR am 10.7.2019). Auf den geltend gemachten Verdienstausfallschaden leistete die Beklagte Zahlungen in Höhe von 28.921,21 EUR.
Der Kläger hat beantragt
1. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn 33.858,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn ab dem 1.4.2020 einen Betrag von 3.183,20 EUR monatlich, zahlbar zum jeweils 1. eines jeden Monats im monatlichen Voraus bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm alle materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die ihm aus dem Unfallereignis vom 17.6.2018, 10:15 Uhr auf der Bundesstraße 4 Höhe H. entstanden sind bzw. noch entstehen werden, soweit diese Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an ihn ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, mindestens jedoch in Höhe von weiteren 19.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme (Zeugenvernehmung, Beiziehung der Ermittlungsakte sowie der Zivilakte aus dem Parallelverfahren Amtsgericht R. – und Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens – schriftliches fachchirurgisches Gutachten Prof. S. vom 9.11.2021 nebst mündlicher Erläuterung) der Klage auf Basis einer Haftungsverteilung von 80 % zu 20 % zu Lasten der Beklagten stattgegeben. Beim Verdienstausfall hat es hierbei anspruchsmindernd aufgrund Verletzung einer Erwerbsobliegenheit (ab dem 1.1.2022) einen fiktiven Verdienst in Höhe von 1.000 EUR pro Monat (entsprechend 30 Wochenstunden) in Abzug gebracht. Soweit der Kläger die den Verdienstausfall betreffende Klage beziffert hat (bis Ende März 2020), hat das Landgericht (auch unter Berücksichtigung gezahlten Krankengeldes) ihm 13.202,63 EUR zuzüglich Rechtshängigkeitszinsen und zudem eine Erwerbsschadenrente von monatlich 1.219,26 EUR bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze zugesprochen. Zudem hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von weiteren 19.000 EUR Schmerzensgeld verurteilt.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beklagte mit der Berufung und begehrt die vollständige Klagabweisung. Sie bestreitet weiterhin grundsätzlich ihre Haftung, bemängelt die fehlende Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens und rügt die Schadensberechnung durch das Landgericht. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, das Landgericht habe fehlerhaft einen Verstoß des Zeugen C. gegen § 9 Abs. 1 StVO angenommen. Der Zeuge C. habe entgegen den Feststellungen des Landgerichts den linken Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Der Fahrtrichtungsanzeig...