Aus den Gründen der Entscheidung des LG Arnsberg:
Das LG ging in seiner Entscheidung von einer fehlenden Mitverantwortung der Kl. an dem Eintritt des Unfalls aus.
"Die Kl. hat gegen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung weiteren Schadensersatzes i.H.v. 1.300,58 EUR aus §§ 7 StVG, 823 Abs. 1 BGB, 115 VVG."
Es kann dahinstehen, ob der Verkehrsunfall vom 14.12.2010 für die Kl. ein unabwendbares Ereignis darstellt, da den Bekl. zu 1.) ein ganz überwiegendes Verschulden an der Herbeiführung des Unfalls trifft, so dass eine etwaige Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs dahinter zurücktritt.
Der Bekl. zu 1.) ist unstreitig unter Verstoß gegen § 10 StVO aus der Tankstellenausfahrt auf die B 55 eingefahren, wobei es zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug der Kl. gekommen ist. Die entsprechenden Ausführungen des AG greift die Berufung auch nicht an.
Entgegen der Auffassung des AG ist der Kl. selbst kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO wegen eines irreführenden Blinkzeichens vorzuwerfen. An einen solchen Vertrauenstatbestand des Wartepflichtigen sind strenge Anforderungen zu stellen. Er ist nur dann gegeben, wenn außer der Betätigung der rechten Blinkleuchte des vorfahrtberechtigten Fahrzeugs durch eindeutige Geschwindigkeitsherabsetzung und Beginn des Abbiegens deutlich wurde, dass der Berührung der beiderseitigen Fahrlinien nicht in Betracht kommt. Danach darf der Wartepflichtige trotz eingeschalteter rechter Blinkleuchte des vorfahrtberechtigten Fahrzeugs im Zweifel nicht darauf vertrauen (vgl. OLG Hamm NJW-RR 2003, 975, 976). So liegt der Fall auch hier. Es kommt nicht darauf an, ob die Kl. – wie sie behauptet – den rechten Fahrrichtungsanzeiger in einiger Entfernung zur Tankstelleneinfahrt bereits wieder ausgeschaltet hatte, weil sie sich aufgrund von Glätte entschieden hat, die nächste Einfahrt zu nehmen bzw. – wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erklärt hat – weiterzufahren. Zwar hatte sie ihren eigenen Angaben zur Folge bereits die Geschwindigkeit herabgesetzt, jedoch unstreitig noch nicht zum Einbiegen angesetzt. Dementsprechend durfte die Bekl. zu 1.) nicht darauf vertrauen, die Kl. werde an dieser Stelle in das Tankstellengelände einbiegen. Vielmehr musste er in Betracht ziehen, dass die Kl. erst in die zweite Tankstelleneinfahrt einzubiegen beabsichtigte.
Auch ist der Kl. kein Verstoß gegen § 3 StVO zur Last zu legen. Soweit die Bekl. erstmals in der Berufungsinstanz eine unangepasste Geschwindigkeit der Kl. behaupten, ist dieses Vorbringen unsubstantiiert. Darüber hinaus aber muss der Einfahrende – hier der Bekl. zu 1.) – auch mit Verkehrsverstößen des fließenden Verkehrs in einem gewissen Maße rechnen wie etwa Geschwindigkeitsüberschreitungen, da von ihm ein Höchstmaß an Sorgfalt gefordert wird (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 10 Rn 8).
Schließlich ist der Kl. selbst kein Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO vorzuwerfen. Zum einen hatte die K. unstreitig noch nicht mit dem Abbiegevorgang begonnen. Vielmehr handelte es sich lediglich um eine Absicht; die die Kl. aufgrund der bestehenden Straßenglätte jedoch nicht in die Tat umgesetzt hat. Darüber hinaus aber gehört der Bekl. zu 1.) auch nicht zum geschützten Personenkreis. § 9 Abs. 5 StVO verlangt von allen Fahrzeugführern für den Spezialfall der besonders gefährlichen Einfahrt in ein Grundstück ein solches Maß an Sorgfalt, dass die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auf der Straße, nicht der bereits auf oder neben dem Grundstück Befindlichen oder ihrerseits Ausfahrwilligen ausgeschlossen ist (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a.a.O., § 9 Rn 52). Letzteres ist hier der Fall. Der Bekl. zu 1.) befand sich auf dem Tankstellengelände und wollte auf die B 55 einfahren; so dass ihm der Schutz des § 9 Abs. 5 StVO nicht zugute kommt.
Im Rahmen der nach § 17 Abs. 2 StVO vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge trifft die Bekl. die alleinige Haftung für das Unfallgeschehen. Zwar hat die Kl. in irreführender Weise geblinkt. Da von dem Bekl. zu 1.) als Einfahrendem jedoch nach § 10 StVO ein Höchstmaß an Sorgfalt gefordert wird, tritt die Betriebsgefahr des im fließenden Verkehr befindlichen Fahrzeugs zurück (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 10 Rn 8); Dies gilt umso mehr, als er in einem gewissen Umfang sogar mit Verkehrsverstößen des fließenden Verkehrs rechnen muss. Auch die Kammer berücksichtigt, dass die Kl. ihre Absicht, in das Tankstellengelände abzubiegen, lediglich aufgrund von Straßenglätte aufgegeben hat. Es erscheint daher gerechtfertigt, selbst die leicht erhöhte Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs hinter dem groben Verkehrsverstoß des Bekl. zu 1.) zurücktreten zu lassen. Die von der Beklagtenseite vorgelegten Entscheidungen, wonach das irreführende Blinken des Vorfahrtberechtigten zu einer Mithaftung führen soll, sind vorliegend nicht einschlägig.“
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Gregor H. Burmann, Lippstadt