"1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl der Kl. als auch die Bekl. grds. für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. § 7 Abs. 1, 18 StVG i.V.m. § 115 VVG einzustehen haben, weil die Unfallschäden bei dem Betrieb eines Kfz entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurück zu führen ist und für keines der unfallbeteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. …"
2. Im Rahmen der danach gem. § 17 Abs. 1, 2. StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile hat das Erstgericht angenommen, der Erstbeklagte habe den Unfall durch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO verursacht. Dies ist zutreffend und wird zweitinstanzlich nicht in Zweifel gezogen. Nach den zweitinstanzlich unangegriffenen Feststellungen des Erstgerichts war das Beklagtenfahrzeug rückwärts gerollt. Zu Recht hat das Erstgericht darin einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO gesehen. Zumindest ein kurzes und unbeabsichtigtes Rückwärtsrollen, wie es hier in Frage steht, beurteilt sich nach § 1 Abs. 2 StVO und nicht nach § 9 Abs. 5 StVO (vgl. OLG Stuttgart VRS 45, 125; OLG Düsseldorf DAR 2000, 367; KG VRS 116, 196; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 9 StVO Rn 67).
3. Soweit das Erstgericht weiter angenommen hat, der Kl. habe den Unfall durch ein Unterschreiten des nach § 5 Abs. 4 S. 2 StVO gebotenen Seitenabstandes mitverursacht, hält die angegriffene Entscheidung einer Überprüfung indes nicht stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Erstgericht den Fahrvorgang des Kl. als ein Überholen gewertet. Ein Kraftfahrer, der – wie hier der Erstbeklagte – verkehrsbedingt anhält, wird überholt (§ 5 StVO); an ihm wird nicht vorbeigefahren (§ 6 StVO, vgl. BGHSt 26, 73, 75; OLG Köln, OLG-Report 1999, 206; OLG Düsseldorf, VRS 70, 41; BayObIGSt 1979, 203; Urteile der Kammer vom 18.12.2009 – 13 S 206/09 – und vom 5.4.2012 – 13 S 14/12; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 5 StVO Rn 16; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a.a.O., § 5 StVO Rn 2; Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 27 Rn 159).
b) Der Unfall ist allerdings nicht durch ein Unterschreiten des gebotenen Seitenabstandes verursacht worden.
aa) Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, dass an einem eingeordnet anhaltenden Fahrzeug mit vergleichsweise geringer Geschwindigkeit vorbeigefahren werden kann, weil bei dem haltenden Fahrzeug regelmäßig nicht erwartet werden muss, dass es aus der Spur gerät (vgl. OLG Köln VRS 63, 142; OLG Köln VRS 27, 37 f.).
bb) Es steht nämlich schon nicht fest, dass sich ein etwaiges Unterschreiten des gebotenen Seitenabstandes unfallursächlich ausgewirkt hat. Nach dem unwiderlegt gebliebenen Vortrag des Kl. wäre es nicht zur Kollision gekommen, wenn das Beklagtenfahrzeug, das seine Spur unstreitig nicht nach rechts verlassen hat, nicht rückwärts gerollt wäre. Unter diesen Umständen ist es zumindest möglich – und nach dem natürlichen Ausschervorgang auch wahrscheinlich –, dass auf Klägerseite nicht der mangelnde seitliche Abstand, sondern lediglich die Verkürzung des Abstandes nach vorne durch das – auch – nach vorne gerichtete Ausscheren des Kl. den Unfall mitverursacht hat. Das Verkürzen dieses Abstandes nach vorne betrifft § 5 Abs. 4 S. 2 StVO jedoch nicht.
4. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts hat der Kl. den Erstbeklagten auch nicht unter Verstoß gegen § 5 Abs. 4 S. 4 StVO verkehrswidrig beim Überholen behindert.
Ein anderer Verkehrsteilnehmer wird behindert, wenn er in dem von ihm beabsichtigten Verkehrsverhalten nachhaltig beeinträchtigt wird (vgl. Hentschel/König/Dauer, a.a.O., § 1 StVO Rn 40; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a.a.O., § 1 StVO Rn 79). Daran fehlt es hier jedoch schon deshalb, weil der Erstbeklagte nach eigenem Bekunden gar nicht beabsichtigte, rückwärts zu rollen.
5. Der Kl. hat den Unfall auch nicht dadurch mitverursacht, dass er zu dem Vorausfahrenden entgegen § 4 Abs. 1 StVO nicht den gebotenen Mindestabstand eingehalten hätte. Danach muss von einem vorausfahrenden Fahrzeug regelmäßig ein so großer Abstand eingehalten werden, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. Eine Verkürzung des Abstandes durch ein Rückwärtsrollen des vor ihm stehenden Fahrzeuges muss der Nachfolgende nach dieser Bestimmung nicht in Betracht ziehen.
6. Der Kl. hat den Unfall auch nicht durch eine verkehrswidrige Verkürzung des Sicherheitsabstandes entgegen § 1 Abs. 2 StVO mitverursacht, wonach sich jeder Verkehrsteilnehmer so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
a) Freilich musste der Kl. unter den hier gegebenen Umständen einen gewissen Mindestabstand, nach vorne einhalten. Zwar muss ein sich selbst verkehrsrichtig verhaltender Verkehrsteilnehmer nicht mit allen möglichen Verkehrswidrigkeiten anderer Verkehrsteilnehmer rechnen, sondern darf grds. mangels gegenteiliger Anhaltspu...