" … Der Anspruch der Kl. gegen den Bekl. ergibt sich unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen Verletzung einer Obliegenheit gem. § 2b Abs. 1e, Abs. 2 AKB (2007) i.V.m. §§ 28 Abs. 2, Abs. 3, 116 VVG wiederum i.V.m. § 426 Abs. 2 BGB."
Nach dem unstreitigen Sachverhalt bezüglich des Unfallgeschehens … steht fest, dass zwar der Fahrbahnwechsel des Lkw MAN mit Sicherheit adäquat kausal für den späteren Zusammenstoß zwischen dem Fahrzeug Golf und dem Fahrzeug Nissan war, andererseits steht ebenfalls fest, dass der nachfolgende Pkw Nissan den motiviert vollbremsenden Pkw Golf massiv am Heck beschädigt hat, samt Folgeschäden für die Insassen und der Heckschaden unmittelbar auf das Auffahren des Pkw Nissan auf den Pkw Golf zurückzuführen ist. Wie sich aus den Einlassungen des Bekl. in der mündlichen Verhandlung vom 14.9.2011 ergibt, hat er beim Hinterherfahren hinter dem Fahrzeug Golf mit einer Geschwindigkeit zwischen 90 und 100 km/h lediglich einen Abstand von einer Fahrzeuglänge (ca. 5 m) eingehalten. Dass dieses Verhalten, nämlich Missachtung der Einhaltung des ausreichenden Sicherheitsabstandes gem. § 4 Abs. 1 StVO kausal für das schädigende Ereignis ist, liegt auf der Hand und braucht nicht näher begründet zu werden.
Auch ein nicht alkoholisierter Kraftfahrer, der erst beim Aufleuchten der Bremsleuchten des Vordermannes reagiert, ist nicht mehr in der Lage, bei einer Vollbremsung des Vordermanns und einer Ausgangsgeschwindigkeit zwischen 90 und 100 km/h sein Fahrzeug ohne Anstoß zum Halten zu bringen. Allein die Wahrnehmungs- und Reaktionszeit auch eines nüchternen Fahrers macht dies unmöglich.
Beim Bekl. kommt allerdings hinzu, dass er nach eigenen Angaben mit Trinkbeginn 10.30 Uhr vor dem Unfallgeschehen, das sich um 13.45 Uhr ereignete, bis 13.00 Uhr mindestens 1 ½ Liter Bier und drei Schnäpse zu je 2 cl zu sich genommen hat. Der Richter bezweifelt allerdings, ob diese Angabe der Menge nach zutreffend ist, nachdem die Blutentnahme von 16.17 Uhr eine nicht zurückgerechnete Blutalkoholkonzentration von 1,25 Promille ergeben hat, so dass zur Tatzeit der Blutalkoholkonzentrationsgehalt mutmaßlich 0,1 bis 0,2 Promille höher war. Dies kann allerdings dahingestellt bleiben. Objektiverweise war der Bekl. mit dem vorangegangenen Alkoholgenuss absolut fahruntüchtig.
Aus eigenen Trinkversuchen des Richters mit dem Versuch, sich an einen Blutalkoholgehalt von 1,0 Promille heranzutrinken, weiß der Richter, dass jeder erwachsene Mensch, der nicht alkoholkrank ist, den Genuss von Alkohol, den er in diesen Mengen in geselligem Beisammensein zu sich nimmt, verspürt und auch die Beeinträchtigungen, die der Alkoholgenuss vermittelt, wahrnimmt.
Bei dem Bekl. kommt hinzu, dass er bei der Unfallfahrt auf dem Weg zur Arbeit war und am Arbeitsplatz, der Bekl. ist Flugzeugabfertiger von Beruf, absolutes Alkoholverbot besteht. Der Bekl. wusste also, dass er nach Trinkende eine Fahrt zu unternehmen hat, dass er alkoholisiert ist und hat diese Fahrt trotzdem unternommen. Bei der genossenen Menge Alkohol ist das Gericht im Rahmen von § 287 ZPO davon überzeugt, dass die Beeinträchtigung dem Bekl. auch nicht verborgen geblieben sein konnte. Eines diesbezüglichen Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht.
Soweit sich der Bekl. darauf beruft, dass die herbeigerufenen Polizeibeamten, die ihm um 14.33 Uhr die Atemalkoholkonzentration abnahmen bei ihm keine alkoholische Beeinträchtigung feststellen konnten, ist dies insoweit unzutreffend, als natürlich der Alkoholgeruch, der vom Bekl. ausging, die Polizei veranlasste, den Alkotest zu machen.
Soweit sich der Bekl. weiter darauf beruft, dass der die Blutentnahme um 16.15 Uhr vornehmende Arzt den äußeren Eindruck des Bekl. dahin umschrieben hat, dass er keine äußeren Anzeichen feststellen konnte, wonach der Bekl. merkbar alkoholisiert war, spricht dies dafür, dass der Bekl. vermutlich mehrjährig Alkoholabusus getrieben hat und sich bei ihm ein Gewöhnungseffekt eingestellt hat.
Das Gericht hält nun dafür, dass der Alkoholiker sich zumindest seines Alkoholgenusses bewusst ist und sich auch bewusst ist, welche abstrakten Gefahren hiervon ausgehen. Mag sich der Alkoholiker auch aufgrund vielfältiger Alkoholfahrten, die folgenlos blieben, sicher fühlen, so weiß er doch aufgrund eigener Erfahrung und des ihm abstrakt ständig vermittelten Verbotes alkoholisiert zu fahren, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit und seine Reaktionsfähigkeit durch den Alkoholgenuss herabgesetzt sind. Dasselbe gilt auch für die allgemeine Kritikfähigkeit …
Auch der Umstand, dass der Bekl. vom AG N im Strafverfahren … lediglich wegen einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt gem. § 316 StGB angeklagt und verurteilt wurde, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. Das AG – Zivilabteilung – N schließt sich der Kritik an der diesbezüglichen Praxis an, wie sie im Kommentar Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl. 2007, Rn 43 zu § 316 StGB formuliert ist. Danach hat sich im amtsgerichtlichen Massengeschäft der Verfahren wegen § 316 und § 315c Abs. 1 Nr. 1a ...