Das abgedruckte Urteil erlaubt, einen Blick auf die Bedeutung der Berechnung der Blutalkoholkonzentration bei Versicherungsfällen in der Vollkaskoversicherung zu werfen.
Weist der VR nach, dass die versicherte Person (vorsätzlich oder grob fahrlässig) alkoholbedingt einen Unfall verursacht hat, ist er nach § 81 Abs. 2 VVG ganz oder teilweise leistungsfrei. Das setzt voraus, dass festgestellt werden kann, ob und in welchem Maße die versicherte Person alkoholisiert war. Insoweit gelten ähnliche, aber aus beweisrechtlichen Gründen nicht uneingeschränkt dieselben Grundsätze wie im Strafrecht (OLG München, Urt. v. 27.6.2008 – 10 U 5654/07, juris; zur Rechtslage in der Kfz-Haftpflichtversicherung BGH zfs 2005, 394). Im Fall des LG Kaiserslautern war der Unfall um 5.20 Uhr geschehen, die Blutprobe (0,76 ‰) war um 8.45 – also 3 h 25 min später – entnommen worden. Der Sachverständige war zu einer BAK zum Unfallzeitpunkt von 1,27 ‰ gelangt, weil er einen Alkoholabbau von 0,15 ‰ pro Stunde und wegen widersprüchlicher und nicht plausibler Angaben des VN zu seinem Alkoholkonsum keine Resorptionszeit (also einen länger vor dem Unfall abgeschlossenen Alkoholkonsum) berücksichtigt hatte (0,76 ‰ + (ca.) 0,51 ‰). Das LG Kaiserslautern hat demgegenüber eine Art Günstigkeitsvergleich vorgenommen und einen Alkoholabbau von lediglich 0,1 ‰ pro Stunde (nach Resorptionsabschluss) und eine Resorptionszeit (also einen erst unmittelbar vor dem Unfall abgeschlossenen Alkoholkonsum) von 2 Stunden angenommen und ist so (0,76 ‰ + 0,14 ‰) zu 0,90 ‰ zum Unfallzeitpunkt gelangt. Die Differenz – 1,27 ‰ zu 0,90 ‰ – hat es rechtlich nicht für erheblich erachtet. Das mag im entschiedenen Fall so sein, gilt aber natürlich nicht immer.
Wie ist also – beweisrechtlich – festzustellen, in welchem Maße die versicherte Person zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert war, wenn sie sich selbst nicht erklärt hat oder ihre Angaben nicht plausibel sind?
Auszugehen ist entscheidend davon, dass der VR die Voraussetzungen des Risikoausschlusses des § 81 Abs. 2 VVG (vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls) und damit die von dem Maß der Alkoholisierung und ihren Umständen (Zeitnähe des Alkoholkonsums zum Fahrantritt?) abhängige Vorwerfbarkeit aber auch die für die Quotenbildung entscheidende Schwere des Verschuldens, die ihrerseits vom Grad der Alkoholisierung abhängen kann, beweisen muss.
Daher muss zunächst (mangels anderer gerichtlicher Feststellungen) in der Vollkaskoversicherung von der dem VN günstigsten Berechnung ausgegangen werden.
Das bedeutet: Forensisch ist ein Ende der Alkoholaufnahme unmittelbar vor dem Unfall und damit das Einsetzen der Resorption erst unmittelbar vor dem Unfall, also ein "Aufbau" der BAK erst "nach" dem Unfall anzunehmen. Eine rückrechnende Erhöhung des BAK-Wertes ist also tatsächlich – wie das LG Kaiserslautern zutreffend angenommen hat – nur bei Entnahme einer Blutprobe nach Ablauf von 2 Stunden nach dem Unfall überhaupt erlaubt. Von da an ist dann ein Alkoholabbau von 0,1 ‰ pro Stunde anzunehmen.
Allerdings verwirklicht sich der Risikoausschluss (von den Fällen der Vorverlagerung des Vorwurfs nach den Grundsätzen der actio libera in causa abgesehen (vgl. OLG Hamm zfs 2001, 119)) grds. nur dann, wenn der VN schuldfähig war. Hat die Blutprobe besonders hohe Werte der Alkoholisierung ergeben, würde das Strafrecht besonders günstige Rückrechnungswerte – längst abgeschlossene Resorption zum Tatzeitpunkt, Abbau bis zur Blutprobenentnahme von 0,2 ‰ – fordern, um im Zweifel Schuldunfähigkeit annehmen zu können. Strafrechtlich müsste das LG Kaiserslautern zur Prüfung der Schuldfähigkeit also zu einem Wert von 1,51 ‰ (0,76 + ca. 0,75) gelangen. Anders als im Strafrecht, muss sich der VN im Versicherungsvertragsrecht jedoch nach dem Grundsatz des § 827 S. 2 BGB entlasten. Daher gilt insoweit nur, dass der VN beweisen muss, die Alkoholaufnahme im Unfallzeitpunkt längst abgeschlossen zu haben und zwischen Blutentnahme und Versicherungsfall besonders hohe Abbauwerte verzeichnet zu haben.
Das kann im Einzelfall bedeutsam sein: Kann der Vorwurf nicht an ein Vorverhalten des VN (Alkoholgenuss in Erwartung des Gebrauchs des versicherten Kfz) geknüpft werden, so kann jedenfalls das Maß der Quotierung, das von der Schwere des Verschuldens bestimmt wird, davon abhängen, ob der VN im Zeitpunkt des Versicherungsfalls überhaupt schuldfähig war. Die anwaltliche Vertretung eines VN muss diese Unterschiede bedenken.
PräsOLG Prof. Dr. Roland Rixecker
zfs 6/2014, S. 332 - 335