I. Abrechnung bei Zurückverweisung
1. Anfall der Verfahrensgebühr
Nach Vorbem. 3 Abs. 2 VV RVG entsteht die Verfahrensgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information. Dem Prozessbevollmächtigten der Kl. ist die 1,6 Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG für seine Tätigkeit in dem – ersten – Berufungsverfahren vor dem Hans. OLG Hamburg, das durch Urt. v. 21.7.2009 abgeschlossen wurde, angefallen.
Nachdem der BGH durch sein am 8.12.2011 verkündetes Urteil die Sache an das OLG Hamburg zurückverwiesen hatte, war das weitere Verfahren, also das zweite Berufungsverfahren, vor dem Hans. OLG Hamburg gem. § 21 Abs. 1 RVG ein neuer Rechtszug. Nach der hier einschlägigen bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG hat dies zur Folge, dass der Prozessbevollmächtigte der Kl. sämtliche Gebühren im zweiten Berufungsverfahren fordern kann, und damit grds. auch die Verfahrensgebühr. Ihm stehen somit im Verfahren nach Zurückverweisung alle dort entstandenen Gebühren erneut zu, selbst wenn sie im Verfahren vor der Zurückverweisung bereits angefallen waren.
2. Anrechnung der Verfahrensgebühr
Soweit – wie es hier der BGH getan hat – die Sache an ein untergeordnetes Gericht zurückverwiesen worden ist, das bisher mit der Sache befasst war, ist die vor diesem Gericht bereits entstandene Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG auf die Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen.
3. Ausnahme von der Anrechnung
Ist der frühere Auftrag des Anwalts seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt, gilt gem. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit und die im RVG geregelten Anrechnungen von Gebühren entfallen. Diese Vorschrift gilt nach allgemeiner Auffassung auch im Falle einer Zurückverweisung gem. § 21 Abs. 1 RVG. Liegen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG somit vor, entfällt die in Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG angeordnete Anrechnung der Verfahrensgebühr.
4. Berechnung der Zweijahresfrist
Ob der Prozessbevollmächtigte der Kl. sich hier auf die Ausnahmeregelung in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG berufen konnte, hing somit davon ab, ob der frühere Auftrag – für das erste Berufungsverfahren – seit mehr als zwei Kalenderjahren erledigt war, als der Anwalt nach Zurückverweisung durch den BGH mit dem zweiten Berufungsverfahren befasst wurde. Der Rechtspfleger des LG Hamburg hatte diese Frage bejaht. Er war davon ausgegangen, dass das erste Berufungsverfahren mit Ablauf des 31.12.2009 erledigt war. Innerhalb der zwei folgenden Kalenderjahre habe der BGH das die Zurückverweisung aussprechende Urt. v. 8.12.2011 verkündet.
Nach Auffassung des Hans. OLG Hamburg kann jedoch nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellt werden. Das OLG hat vielmehr auf den Zeitpunkt der Zustellung des BGH-Urteils an den Prozessbevollmächtigten der Kl. abgestellt. Streng genommen war dieser Zeitpunkt jedoch nicht maßgeblich, da die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dann eingreift, wenn dem Rechtsanwalt nach Erledigung des früheren Auftrags – hier für das erste Berufungsverfahren – ein weiterer Auftrag für das zweite Berufungsverfahren nach Zurückverweisung erteilt worden ist (so BGH RVGreport 2006, 219 (Hansens)). Dieser Zeitpunkt wird in aller Regel erst nach der Zustellung des die Zurückverweisung aussprechenden Urteils erteilt werden. Das Hans. OLG Hamburg ist im Ergebnis aber zu Recht davon ausgegangen, dass der Auftrag der Kl. zur weiteren Tätigkeit im zweiten Berufungsverfahren erst nach erfolgter Zustellung des BGH-Urteils erteilt worden ist. Allein auf die Kenntnis von der Zurückverweisung, wie es beim OLG anklingt, kommt es jedoch nicht an. Hierauf müsste allenfalls dann abgestellt werden, wenn der Prozessbevollmächtigte schon von Anfang an einen bedingten Auftrag zur Vertretung der Kl. für das zweite Berufungsverfahren im Falle einer Zurückverweisung gehabt hätte. Dann wäre diese Bedingung mit Erlangung der Kenntnis von der Zurückverweisung eingetreten.
II. Verfahrensweise des Prozessbevollmächtigten
Um klare Verhältnisse auch im Hinblick auf die in § 15 Abs. 5 S. 2 RVG bestimmte Zweijahresfrist zu schaffen, sollte der Berufungsanwalt zunächst den Zeitpunkt der Kenntnisnahme von dem zurückverweisenden Urteil in den Handakten festhalten. Sodann sollte der Anwalt bei seinem Mandanten ausdrücklich nachfragen, ob er diesen auch in dem – zweiten – Berufungsverfahren (weiter) vertreten solle. Für die Berechnung der Zweijahresfrist ist dann auf den Zeitpunkt des Eingangs des entsprechenden Auftragsschreibens des Mandanten abzustellen. Liegen zwischen der Beendigung des ersten Berufungsverfahrens und dem Zeitpunkt der erneuten Auftragserteilung mehr als 2 Kalenderjahre, kann der Anwalt die Verfahrensgebühr sowohl im ersten Berufungsverfahren als auch im – nach Zurückverweisung – durchgeführten zweiten Berufungsverfahren abrechnen, ohne nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV RVG eine Anrechnung der Verfahrensgebühren vornehmen zu müssen.
VorsRiLG Heinz Hansens
zfs 7/2014, S. 410 - 411