Leitsatz
Der tatsächlich eingetretene Tod entfaltet hinsichtlich der Todesgefahr nach § 2250 BGB keinerlei Indizwirkung, wenn zwischen Errichtung des Nottestaments und dem Tod mehr als zwei Wochen liegen.
Sachverhalt
Die Beteiligte zu 1) ist die Schwester des vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin, die Beteiligte zu 2) ist die Schwester der Erblasserin. Ihre zwei weiteren Schwestern S1 und S2 sind 1991 bzw. 2007 vorverstorben. Der Beteiligte zu 3) ist der Ehemann von S1 und die Beteiligten zu 4) bis 9) die Kinder der S2.
In einem gemeinsamen Testament setzten sich die Erblasserin und deren Mann 1988 gegenseitig zu Alleinerben und S1 und S2 zu Schlusserben ein. Das Testament endet mit "Änderungen vorbehalten". Mit handschriftlicher Verfügung von 2006 ersetzte die Erblasserin S1 durch deren Ehemann, den Beteiligten zu 3).
Während eines Krankenhausaufenthaltes errichtete die Erblasserin am 30.05.2007 (Mittwoch) ein Nottestament, mit dem sie die Beteiligten zu 1) und 2) zu gleichen Teilen zu Erben einsetzte. Da sie aber aufgrund eines Sturzes ihre rechte Hand nicht gebrauchen konnte, wurde die Niederschrift von der Beteiligten zu 1) gefertigt und von der Erblasserin sowie drei bei der Errichtung des Testamts anwesenden Zeugen (der Putzhilfe der Erblasserin - Z1, einer Altenpflegerin - Z2 und einer Krankenschwester - Z3) unterschrieben. Am 01.06.2007 wurde die Erblasserin in ein Pflegeheim entlassen, wo sie am 14.06.2007 ins Koma fiel. Drei Tage später verstarb sie.
Das Nachlassgericht wies den Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) auf Erbscheinserteilung zurück. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1) nunmehr erfolglos mit einer weiteren Beschwerde.
Entscheidung
Die Errichtung eines Nottestaments folgt § 2250 BGB. Der hiernach erforderliche Todesgefahr steht die drohende Testierunfähigkeit gleich, wenn diese voraussichtlich durchgängig bis zum Tode fortdauert. Die Gefahr muss dabei entweder objektiv vorliegen oder subjektiv nach der Überzeugung aller drei Zeugen bestehen und angesichts der objektiven Lage als gerechtfertigt angesehen werden können. Die Selbsteinschätzung des Erblassers ist ohne Belang.
Entscheidend ist auch nicht, ob die Todesgefahr ausgeschlossen werden kann. Maßgebend ist vielmehr, ob aufgrund konkreter Umstände der Tod des Erblassers vor dem Eintreffen des Notars zu befürchten ist. Nicht ausreichend ist deshalb, dass der Erblasser wegen einer fortgeschrittenen nicht (mehr) heilbaren Erkrankung nur noch kurze Zeit zu leben hat.
Vorliegend ist das Nottestament unwirksam, da bei seiner Errichtung die Zeugin 3 subjektiv nicht von einer hinreichend nahen Todesgefahr überzeugt war, noch eine solche bestanden hat, wie u.a. der Entlassungsbericht belegt. Ebenso glaubte die Zeugin 3 nicht an eine unmittelbar bevorstehende Testierunfähigkeit. Deshalb kommt es vorliegend auch nicht mehr auf die subjektiven Überzeugungen von Z1 und Z2 an. Auch objektiv wäre zu diesem Zeitpunkt durchaus die Hinzuziehung eines ggf. aus dem Telefonbuch zu ermittelnden Notars möglich gewesen; Mittwoch nachmittags ist davon auszugehen, dass einer der ca. 80 Notare des Raumes München verfügbar ist, spätestens jedoch am Folgetag.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 14.07.2009, 31 Wx 141/08