Keine Auslegung eines widersprüchlichen und unklaren Testaments

Wird in einem Einzeltestament die Erbeinsetzung gemäß „Berliner Testament“ einschließlich „Wiederverheiratungsklausel“ verfügt und kann nicht festgestellt werden, welche inhaltliche Vorstellungen der Erblasser damit verbunden hatte, besteht keine wirksame Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten.

Der im Jahre 2013 verstorbene 89-jährige Erblasser war in zweiter Ehe verheiratet und hatte aus erster Ehe zwei Kinder. Der Erbfall gestaltete sich schwierig, denn seine letztwillige Verfügung ließ Fragen offen. Er hat ein Berliner Testament errichten wollen, aber nicht zusammen mit seiner Frau, sondern allein. Aber: It takes two to tango!
Testament mit missverständlichem Inhalt

Im August 2012 verfasste er ein handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt: „Mein Testament: Nach meinem Ableben soll die Erbschaft gemäß dem „Berliner Testament“ erfolgen einschließlich der Wiederverheiratungsklausel.“

Ehefrau beantragte Ausstellung eines Erbscheins als Alleinerbin

Seine überlebende Ehefrau war nun der Ansicht, dass dieses Testament sie zur Alleinerbin bestimme und beantragte, ihr einen entsprechenden Erbschein auszustellen. Dem traten seine beiden Kinder mit der Begründung entgegen, dass das Testament hinsichtlich der Erbfolge keinen auslegungsfähigen Inhalt habe. Daher trete die gesetzliche Erbfolge ein, nach welcher die Ehefrau aus zweiter Ehe mit einem Anteil zu ½ und die Kinder zu je ¼ Erben des Erblassers geworden seien.

Letzter Wille des Erblassers im Wege der Auslegung nicht zu ermitteln

Das Amtsgericht Münster hatte den Antrag auf Erteilung des Erbscheins zurückgewiesen. Auch die Beschwerde der Ehefrau vor dem OLG blieb erfolglos. Die Beschwerde sei nach Auffassung des OLG unbegründet, da das Amtsgericht den Antrag zutreffenderweise zurückgewiesen hatte.

Das Testament enthalte weder ausdrücklich eine Berufung der Ehefrau als Alleinerbin noch könne dies dem Testament im Wege der Auslegung entnommen werden.

Bei der Auslegung sei der wirkliche Wille des Erblassers zu erforschen, wobei sich der Richter nicht nur auf eine Analyse des Wortlauts beschränken dürfe.

Vorliegend lasse sich nicht feststellen, was der Erblasser mit dem von ihm genutzten Worten sagen wollte. 

Berliner Testament geht nur zu zweit

Da der Verstorbene offensichtlich nicht wusste, dass ein sogenanntes Testament nur gemeinschaftlich von beiden Ehegatten errichtet werden kann, sei nicht feststellbar, welche inhaltliche Vorstellungen er selbst mit dem „Berliner Testament“ verband.

Letzte Wille blieb im Dunklen

Nicht auch nur andeutungsweise habe er beschrieben, wer ihn beerben, geschweige denn als Alleinerbe, Vorerbe, Schlusserbe, Miterbe oder Nacherbe und was im Falle der Wiederverheiratung geschehen solle. Welchen Inhalt er mit einer solchen Klausel verbunden habe, sei dem Testament ebenfalls nicht zu entnehmen, so die Richter.

(OLG Hamm, Beschluss v. 22.07.2014, 15 W 98/14).

Vgl. zum Thema Erbrecht:

Verfügungen zu Lebzeiten entgegen den Testamentsbestimmungen

Mündliche Erklärungen des Erblassers über Vererbungsabsichten sind ohne Testament wertlos

Nicht ausreichend bestimmte Testamente sind nichtig

Erbschaftsausschlagung: Schlusserbe wird nicht zum Ersatzerbe

Folgen einer Scheidung für ein gemeinschaftliches Testament

Überlebender Partner darf gemeinsames Testament nicht ändern

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