Erbschaftsausschlagung: Schlusserbe wird nicht zum Ersatzerbe
Da denkt man, die Lieben sind versorgt! Schließlich hat man ein Testament errichtet und dort alles nach bestem Wissen und Gewissen genau geregelt. Doch es kommt oft anders als man es sich noch zu Lebzeiten hätte vorstellen können. Im vorliegenden Fall brachte eine unvorhergesehene Erbschaftsausschlagung die im Testament festgelegten Erbfolgen völlig durcheinander.
Erbschaftsausschlagung
In einem gemeinsam errichteten Testament hatten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben eingesetzt. Gleichzeitig bestimmten sie, dass die Tochter des Ehemanns aus erster Ehe und der Neffe der Ehefrau zu gleichen Teilen dann den Letztversterbenden beerben sollten (sog. Schlusserben). Als der Erblasser 2012 im Alter von 83 Jahren verstarb, schlug die Ehefrau ihr Alleinerbe jedoch überraschend aus.
Tochter sieht sich als gesetzliche Alleinerbin ihres Vaters
Die Tochter des Erblassers beantragte daraufhin einen Erbschein, der sie als Alleinerbin kraft gesetzlicher Erbfolge ausweist. Dagegen wandte sich jedoch der Neffe der Ehefrau. Mit seiner Beschwerde begehrte er stattdessen die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins. Er war der Auffassung, er sei aufgrund der letztwilligen Verfügung gemeinsam mit der Tochter zur Hälfte Erbe des Verstorbenen geworden, da seine im Testament bestimmte Einsetzung als Schlusserbe gleichzeitig auch eine Ersatzerbenberufung für seine Tante beinhalte.
Möglichkeit der Ausschlagung im Testament nicht berücksichtigt
Das OLG Hamm wies die Beschwerde des Neffen zurück. Als einziger Abkömmling des Erblassers sei die Tochter kraft Gesetz dessen Alleinerbin geworden (§ 1922 Abs. 1, § 1924 Abs. 1 BGB). Da die Ehefrau die Erbschaft fristgerecht und aus allen Berufungsgründen wirksam ausschlug (§§ 1944, 1945), bestehe auch kein gesetzliches Erbrecht der Ehefrau. Die letztwillige Verfügung des Erblassers stehe dem Antrag der Tochter nicht entgegen. Der Fall der Erbschaftsausschlagung ist im Ehegattentestament nicht geregelt. Die Tochter und der Neffe sollten ausdrücklich Schlusserben für das gemeinsame Vermögen werden. Da der Erblasser davon ausging, dass der Hinterbliebene die Erbschaft auch annehmen wird, findet sich auch keine ausdrückliche Berufung als Ersatzerben im Testament.
Kein anderes Ergebnis nach Testamentsauslegung
Das Gericht müsste daher den mutmaßlichen Willen des Erblassers im Wege der Testamentsauslegung ermitteln. Mit der gegenseitigen Einsetzung zu alleinigen Erben wollte der Erblasser gewährleisten, dass das Vermögen zunächst ohne jede Einschränkung dem überlebenden Ehegatten zukommt. Nach dem Tod des Letztversterbenden sollte dann das gemeinsame Vermögen an die berufenen Schlusserben gehen. Diesen Zweck habe die Ehefrau unterlaufen, indem sie mit der Erbschaftsausschlagung die Tochter faktisch von der Schlusserbenfolgen über das gemeinsame Vermögen der Eheleute ausschließt. Denn mit der Ausschlagung erlangt die Stiefmutter die Verfügungsbefugnis über ihr eigenes Vermögen zurück (§§ 2271 Abs. 2 BGB). Die Tochter verliert dadurch die erbrechtlich bindende Sicherheit, als Schlusserbin auch am Vermögen der Stiefmutter beteiligt zu werden, wenn diese stirbt. Es spricht nichts dafür, dass der Erblasser seine Tochter im Falle einer Erbschaftsausschlagung durch die Stiefmutter von einer Schlusserbin für das gemeinsame Vermögen zu einer Ersatzerbin nur für sein Vermögens machen wollte.
(OLG Hamm, Beschluss v. 14.3.2014, 15 W 136/13).
Vgl. zum Thema Erbrecht:
Verfügungen zu Lebzeiten entgegen den Testamentsbestimmungen
Mündliche Erklärungen des Erblassers über Vererbungsabsichten sind ohne Testament wertlos
Nicht ausreichend bestimmte Testamente sind nichtig
Erbschaftsausschlagung: Schlusserbe wird nicht zum Ersatzerbe
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