Auch für eine Mail hat der Anwalt Anspruch auf die Postpauschale

Die Post- und Telekommunikationspauschale nach RVG wird auch ausgelöst, wenn der Rechtsanwalt mit elektronischen Medien kommuniziert hat, hier durch ein E-Mail an seinen Mandanten. Das gilt auch, wenn er einen Flatrate-Vertrag hat, der seine Kosten für die Kommunikation per Handy, Telefon oder auch via Internet und E-Mail deckelt.

Der vielbeschworene Elektronische Rechtsverkehr (ERV) funktioniert noch nicht flächendeckend, wirft aber schon Rechtsfragen zur Anwaltsvergütung auf: Hier hatte ein Anwalt einen Mandanten außergerichtlich über einen Berechtigungsschein in einer sozialrechtlichen Angelegenheit beraten. Hierzu suchte der Mandant den Anwalt in dessen Kanzlei auf.

Persönliche Beratung und umfangreiche E-Mail

Der Anwalt schrieb dem Mandanten nach erster Prüfung eine umfangreiche E-Mail mit seinen Ausführungen und Einschätzungen zu den Erfolgsaussichten einer Klage. Postalischen Schriftverkehr gab es nicht. 

Der Anwalt reichte danach einen Vergütungsantrag ein, in dem er beantragte, nachstehend berechnete Gebühren und Auslagen zu erstatten:


Gebühr gem. W-Nr. 2501 RVG: 35,00 Euro

Pauschale W-Nr. 7002 RVG: 7,00 Euro

Umsatzsteuer: 7,98 Euro

Gesamt: 49,98 Euro.

Gericht wollte Pauschale nach   Nr. 7002 RVG nicht erstatten

Die Rechtspflegerin akzeptierte aber nur einen Betrag von 41,65 Euro und begründete dies damit, dass eine Auslagenpauschale nicht zu berücksichtigen sei, da ein Geschäft nach außen, das eine Mehrauslage rechtfertige, durch die an den Mandanten versandte E-Mail nicht erfolgt sei. Der Erinnerung des Anwalts halfen weder die Rechtspflegerin noch der Bezirksrevisor ab.

Kosten von Internetanschlussgebühren erfasst?

Begründung der ablehnenden Entscheidung : lm Gegensatz zu Telefonaten und Telefaxen sei kein Fall anerkannt, in der eine Gebühr für die einzelne Übermittlung einer E-Mail angefallen sei, da im Rahmen der monatlichen Internetanschlussgebühren eine unbegrenzte Anzahl von E-Mails versendet werden könnten.

Pauschale Nr. 7002 VV RVG erfordert keinen Kostennachweis

Der Fall ging durch die Instanzen des Amts- und Landgerichts bis hin zum Oberlandesgericht Frankfurt.

Nach Auffassung des OLG Frankfurt erfüllt jede Form der Nutzung von Telekommunikationsdienstleistungen seitens des Rechtsanwalts in einem konkreten Mandatsfall die Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Telekommunikationsentgelts nach den Auslagentatbeständen der Nr. 7001, 7002 VV RVG, also auch die Versendung einer E-Mail.

  • Die Kosten für die Bereithaltung des Internetanschlusses an sich oder für dessen Einrichtung gehören dagegen zu den Kosten des allgemeinen Bürobetriebs, also zu denjenigen Kosten, die für die Unterhaltung der Kanzlei im Ganzen aufzuwenden sind. Sie sind als sogenannte allgemeinen Geschäftskosten gemäß der Vorbemerkung 7 Absatz 1 VV RVG mit den Gebühren abgegolten.
  • Der Auslagentatbestand Nr. 7001 VV RVG verlangt bei der Geltendmachung eines Entgelts für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen von dem Anwalt die Darlegung und ggf. den Nachweis der im Einzelnen verauslagten Entgelte,
  • wogegen Nr. 7002 VV RVG dem Anwalt anstelle der tatsächlichen Auslagen die Geltendmachung einer Pauschale von 20 % der angefallenen Gebühren, höchstens 20 Euro ermöglicht. 

Flatrate ist auch nur eine Pauschale

Diese pauschalierte Abrechnung nach Nr. 7002 VV RVG setzt also  entgegen der Auffassung des Bezirksrevisors nicht voraus, dass tatsächlich im einzelnen Mandatsverhältnis aufschlüsselbare Telekommunikationsentgelte angefallen sind.

Der Gesetzgeber, so das OLG , sei davon ausgegangen, dass neben den allgemeinen Geschäftskosten für die Einrichtung und Vorhaltung technischer Kommunikationsanlagen auch aufschlüsselbare Kosten für jede einzelne Kommunikation anfallen und dass eine einfache prozentuale pauschale Berechnung lediglich den grundsätzlich möglichen, aber mühsamen Nachweis der im Einzelfall tatsächlich angefallenen Entgelte ersetzen soll.

Dass ein solcher Nachweis heute angesichts von Flatrateverträgen nicht mehr möglich ist, obwohl in den seitens der Telekommunikationsdienstleister kalkulierten (Faltrate-)Entgelten durchaus Kosten für die Nutzung der Telekommunikationseinrichtungen enthalten sind, wenn auch ebenfalls in einer pauschalierten Form, konnte nach Ansicht der Richter vom Gesetzgeber nicht bedacht werden.

OLG: Auch mail, skype, Videotelefonie, Mobiltelefon etc. lösen Pauschale aus

 Für die Entstehung der Pauschale sei daher heute angesichts des zunehmenden elektronischen Rechtsverkehrs die Kommunikation durch elektronische Medien per mail, skype, Videotelefonie, Mobiltelefon, etc. als ausreichend anzusehen. Konsequenz  der Entscheidung: Die Pauschale fällt mit jeder von dem Anwalt ausgehenden Nutzung dieser neuen Kommunikationsmedien an, auch wenn aufgrund von Flatrateverträgen die Aufschlüsselung einzelner Kosten für die konkrete Kommunikation nicht möglich ist.

Skurrile Konsequenzen nicht erwünscht

Die Auffassung des Bezirksrevisors widerspricht nach dem Richterspruch nicht nur dem Begriff der „Pauschale", der auch auf anderen Rechtsgebieten als Synonym für einen Zahl- oder Anrechnungsbetrag ohne jede weitere Prüfung genutzt wird.

Die Auffassung würde überdies auch zu dem skurrilen Ergebnis führen, dass der Anwalt, der die Post- und Telekommunikationspauschale nach VV 7002 RVG geltend machen will, in Zeiten immer schneller und unkomplizierter werdender elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten gezwungen wäre, seinen Mandanten mindestens einmal postalisch anzuschreiben, um sodann anwaltlich versichern zu können, dass Entgelte im Sinne von Nr. 7001 VV RVG angefallen sind.

(OLG Frankfurt am Main, Beschluss v. 3.5.2017, 18 W 195/16).


Hintergrund:

Leitsatz des Gerichts:

Angesichts des zunehmenden elektronischen Rechtsverkehrs reicht die Kommunikation mit elektronischen Medien (per Mail, Skype, Videotelefonie, Mobiltelefon, etc.) für den Anfall der Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG aus,

  • so dass diese mit jeder von einem Rechtsanwalt ausgehenden Nutzung dieser Kommunikationsmedien anfällt,
  • auch wenn aufgrund von Flatrateverträgen die Aufschlüsselung einzelner Kosten für die konkrete Kommunikation nicht möglich ist.