BGH verbietet Anwälten die Vorfinanzierung von Unfallkosten
Der Fall betraf eine Kanzlei, die auf die Abwicklung von Verkehrsunfällen spezialisiert ist. Sie bot ihren Mandanten u.a. die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- sowie Abschleppkosten in Höhe der geschätzten Haftungsquote an.
In der Vollmacht zur außergerichtlichen Vertretung ermächtigten die Mandanten die Kanzlei „zur Zahlung aller mit dem Unfall in Zusammenhang stehender Rechnungen aus Eigen- oder Fremdmitteln“.
Unfallrechnung in Höhe geschätzter Haftungsquote ausgeglichen
Nach Erhalt der Rechnungen der Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer glich die Kanzlei die Rechnungen jeweils in Höhe der geschätzten Haftungsquote aus.
Die zuständige Rechtsanwaltskammer hielt die Vorgehensweise für unzulässig. Sie hat daher den Anwälten der Kanzlei einen belehrenden Hinweis dahingehend erteilt, dass die Verauslagung von Reparatur- und/oder Sachverständigen- und/oder Abschleppkosten für Mandanten im Rahmen der Bearbeitung von Verkehrsunfallangelegenheiten gegen § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO sowie gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO verstoße.
Die Zahlung stelle einen Vorteil für die Reparaturwerkstatt, den Sachverständigen und den Abschleppunternehmer dar, weil die Anwälte deren Streit- und Ausfallrisiko übernähmen. Diese würden dann ihren Kunden die Kanzlei empfehlen.
Unfallkosten keine Rechtsverfolgungskosten
Der Bundesgerichtshof gab der Rechtsanwaltskammer im Ergebnis Recht. Allerdings lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO hier nicht vor, weil die von der Kanzlei verauslagten Beträge für Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmer schon nicht den Rechtsverfolgungskosten unterfielen. Ob dies für die Auslagen für ein Sachverständigengutachten gilt, könne letztlich dahinstehen.
Jedenfalls gingen die von der Kanzlei getroffenen Vereinbarungen dahin, dass sie in jedem Fall, auch bei erfolgloser Tätigkeit und mithin fehlender Erstattung seitens Dritter, die verauslagten Kosten von den Mandaten ersetzt erhalten. Daruin sah das Gericht aber kein Problem: „Dass die Kläger ein wirtschaftliches Risiko tragen, im Falle einer Zahlungsunfähigkeit der Mandanten mit den Auslagen belastet zu bleiben, stellt sich nicht anders dar als bei sonstigen, zulässig vom Rechtsanwalt verauslagten Kosten der Rechtsverfolgung wie beispielsweise Gerichtskostenvorschüssen“, erläuterte das Gericht.
Keine Mandate "kaufen": Anwaltschaft ist kein Gewerbe
Zutreffend habe die Rechtsanwaltskammer in der beanstandeten Verfahrensweise jedoch einen Verstoß gegen § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO gesehen.
- § 49b Abs. 3 Satz 1 BRAO untersagt dem Rechtsanwalt, für die Vermittlung von Aufträgen einen Teil der Gebühren zu zahlen oder sonstige Vorteile zu gewähren.
- Es solle, so der BGH, vermieden werden, dass Rechtsanwälte in einen Wettbewerb um den Ankauf von Mandaten treten.
- Die Anwaltschaft sei nämlich kein Gewerbe, in dem Mandate „gekauft“ und „verkauft“ würden. „Ein Rechtsanwalt, dem ein Mandat vermittelt wird, darf hierfür den Vermittler nicht belohnen“.
Kein Vorteile für Mandantenvermittlung
Unter „sonstigem Vorteil“ sei auch die Erbringung von berufsfremden Dienstleistungen zu verstehen, wie hier die sofortige Bezahlung der Rechnungen von Kraftfahrzeugwerkstätten und Abschleppunternehmern für den Mandanten.
- Den betroffenen Kraftfahrzeugwerkstätten, Sachverständigen und Abschleppunternehmer würden zwar nur ihre Leistungen im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfallereignis vergütet.
- Sie hätten aber den Vorteil einer sofortigen, sicheren Zahlung und wären dadurch an der von der Kanzlei der Kläger angebotenen Verfahrensweise interessiert,
- wie auch die von den Klägern geschilderten Kontaktaufnahmen mit der Bitte um Erläuterung des Vorgehens zeige
- so sah es der BGH: Immerhin stammten nach den eigenen Angaben der Kläger etwa die Hälfte der Mandate aus diesem Geschäftsmodell.
(BGH, Urteil vom 20.6.2016, AnwZ (Brfg) 26/14)
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