Dreist-skurrile Ausreden von Autofahrern bei Handynutzung während der Fahrt


Dreist-skurrile Ausreden von Autofahrern bei Handynutzung

Mein Handy ist in Wirklichkeit eine Haarbürste, ein Rasierer, eine Kinnstütze - das alles sind Ausreden mit wenig Überzeugungskraft vor deutschen Gerichten. Nur selten gelingt es Autofahrern mit phantasievollen Einlassungen zum ambulanten Telefon ein Bußgeld abzuwenden.

Die Ausreden der Autofahrer beim verbotenen Handy-Telefonat während der Autofahrt sind oft ebenso dreist die kreativ. Vom Handy als Haarbürste über das Rasierhandy bis zum Wärme-Akku gegen Ohrschmerzen scheint den beim Telefonieren erwischten Autofahren keine Ausrede zu abwegig zu sein, um ein drohendes Bußgeld und den drohenden Punkt in Flensburg abzuwenden.

Ausreden die Münchhausen und Pinocchio vor Neid erblassen lassen

Besonders krass mutet die Ausrede eines Busfahrers an, der mit einem von ihm gelenkten Omnibus in eine Polizeikontrolle geriet, die eigens zur Kontrolle von Handyverstößen errichtet worden war. Zu Beweiszwecken fertigte der kontrollierende Beamte eine Fotosequenz an. Darauf war zu erkennen, dass der Busfahrer einen weißen Gegenstand mit der rechten Hand an sein rechtes Ohr hält. Das gegen ihn verhängte Bußgeld wollte der Busfahrer aber nicht akzeptieren und behauptete vor Gericht, der weiße Gegenstand sei in Wirklichkeit eine Haarbürste, mit der er sich den Bart gekämmt habe.

Die Bartbürsten-Ausrede überzeugte nicht

Das Kämmen eines Bartes oder der Haare sei nicht ohne eine gleitende Bewegung der Hand und des Armes zur Führung der Bürste möglich, konstatierte kompetent der die OWi-Verhandlung leitende Richter. Die Fotosequenz zeige den weißen Gegenstand aber immer nur an der gleichen Stelle, nämlich am Ohr des Busfahrers. Darüber hinaus belegten die Fotos nach der Bewertung des Richters, dass sich keine Hand des Fahrers am Lenkrad befunden habe. Dies könne durchaus Anlass sein, die Fahreignung des Fahrers einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen. Das Urteil lautete auf 180 Euro Geldbuße(AG Frankfurt, Urteil v. 16.6.2020, 971 OWi 363 Js 72112/19).

Ausrede: Wackelkontakt im Unterkiefer, Handy als Kieferstütze

Auch der Amtsrichter im thüringischen Sondershausen ließ sich von der Ausrede eines beim Handy-Telefonat erwischten Autofahrers nicht überzeugen. Dieser brachte vor, sein Unterkiefer leide unter einem Wackelkontakt. Beim Autofahren sei es äußerst unangenehm, wenn der Unterkiefer bei jeder Bodenunebenheit hin und her wackele. Er habe deshalb das Handy im Interesse der Verkehrssicherheit als Kieferstütze eingesetzt, um die Stärke der Wackelbewegungen des Unterkiefers zu reduzieren. Dem Amtsrichter erschien die Einlassung zu abwegig, um ihr zu folgen und verurteilte den Autofahrer zur Zahlung einer Geldbuße (AG Sondershausen, Urteil v. 21.2.2007, 475 Js 4671/06).

Medizinischer Ansatz: Handy als Wärmeakku gegen Ohrenschmerzen

Die Nutzung des Handys als Wärmeakku gegen Ohrenschmerzen hielt das OLG Hamm ebenfalls für unglaubhaft. Nach Auffassung des OLG reicht bereits das Halten des Handys an das Ohr als Nachweis dafür aus, dass der Betroffene auch tatsächlich telefoniert hat (OLG Hamm, Beschluss v. 13.9.2007, 2 Ss OWi 606/07).

Treffer: Handy hilft auch gegen Zahnschmerzen

Diese Ausrede hat überraschenderweise beim OLG Thüringen funktioniert. Die Nutzung als Kühlakku gegen Zahnschmerzen erfüllt den Tatbestand des Telefonierens nach Auffassung des OLG grundsätzlich nicht. Das OLG hält die Ausrede nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (→ Latein für viele Fälle: Judex non calculat?) so lange für glaubhaft, wie dem Autofahrer die Tätigkeit des Telefonierens nicht nachgewiesen werden kann. Eine bloße Handbewegung in Richtung Ohr reicht dem OLG Thüringen - im Gegensatz zum OLG Hamm - als Nachweis für ein Telefonieren nicht aus. Das OLG sprach den Betroffenen frei (OLG Jena, Beschluss v 27.8.2013, 1 Ss 26/13).

Musikalisch: Nicht telefoniert, sondern zum Einsatz des Akkurasierers gesungen

Das OLG Hamm glaubte einem Autofahrer nicht, dass sein Handy in Wirklichkeit ein Akkurasierer gewesen sei, mit dem er sich den Bart gestutzt habe. Die von einem Polizisten erkannten Bewegungen seiner Lippen dienten nach der Einlassung des Autofahrers keinesfalls dem Sprechen in ein Handy, vielmehr habe er zur Musik aus seinem Autoradio gesungen und dabei die Lippen bewegt. Beim Rasieren singe er immer. Das OLG wies den Einspruch des Autofahrers gegen den ergangenen Bußgeldbescheid wegen nicht glaubhafter Entlastungsversuche zurück (OLG Hamm, Beschluss v. 22.8.2006, 2 Ss OWi 528/06).

Untauglicher Entlastungsversuch: Handy als Diktiergerät

Auch Autofahrer auf Geschäftsreise, die bekanntlich grundsätzlich nicht telefonieren sondern in ihr Handy diktieren, haben vor Gericht mit dieser Ausrede in der Regel keinen Erfolg. Das Thüringer OLG hat jedenfalls einen auf diese Einlassung gestützten Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid zurückgewiesen. Auf die Glaubhaftigkeit der Einlassung kam es nach Auffassung des OLG gar nicht an, da auch die Nutzung des Handys als Diktiergerät nach § 23 StVO verboten sei (OLG Jena, Beschluss v. 31.5.2006, 1 Ss 82/06).

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Hintergrund: § 23 Abs. 1 a StVO

§ 23 Abs. 1 a StVO verbietet - in der mehrfach geänderten und in der jetzigen Form am 28.04.2020 in Kraft getretenen Fassung - die Nutzung elektronischer Geräte, die der Kommunikation, Information oder Organisation dienen - also auch des Mobil- oder Autotelefons - wenn hierfür das Mobiltelefon oder der Hörer des Autotelefons aufgenommen oder gehalten werden muss. Gemäß § 23 Absatz 1b Satz 2 StVO gilt dies nicht, wenn das Fahrzeug steht oder der Motor ausgeschaltet ist. Das fahrzeugseitige automatische Abschalten des Motors gilt nicht als Ausschalten des Motors im Sinne der Vorschrift.

§ 23 Sonstige Pflichten von Fahrzeugführenden

.(1a)  1 Wer ein Fahrzeug führt, darf ein elektronisches Gerät, das der Kommunikation, Information oder Organisation dient oder zu dienen bestimmt ist, nur benutzen, wenn
    1.     hierfür das Gerät weder aufgenommen noch gehalten wird und
    2.     entweder
        a)     nur eine Sprachsteuerung und Vorlesefunktion genutzt wird oder
        b)     zur Bedienung und Nutzung des Gerätes nur eine kurze, den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen angepasste Blickzuwendung zum Gerät bei gleichzeitig entsprechender Blickabwendung vom Verkehrsgeschehen erfolgt oder erforderlich ist.

Ahndung von Verstößen

Der aktuell geltende Bußgeldkatalog sieht

  • für den einfachen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO ein Bußgeld von 100 Euro sowie einen Punkt in Flensburg vor.
  • Führt das Telefonieren zu einer Verkehrsgefährdung, so beträgt das Bußgeld 150 Euro plus zwei Punkte in Flensburg plus ein Monat Fahrverbot.
  • Entsteht durch das Telefonieren eine Sachbeschädigung, so beträgt das Bußgeld 200 Euro, plus 2 Punkte in Flensburg sowie ein Monat Fahrverbot.
  • Auch beim Radfahren ist die Nutzung des Handys nicht erlaubt. Das Bußgeld beträgt in diesem Fall 55 Euro.

Einklemmen des Handys zwischen Kopf und Schulter bringt nichts

Manche Autofahrer geben zu Unrecht davon aus, das Telefonieren mit dem Handy während des Autofahrers sei dann nicht verboten, wenn sie das Handy nicht in der Hand halten, sondern es beispielsweise zwischen Kopf und Schulter einklemmen. Der Begriff „Halten“ in § 23 Abs. 1a StVO setzt nach einer Entscheidung des OLG Köln keine Tätigkeit unter Benutzung der Hände voraus. Von Halten könne man auch dann sprechen, wenn ein Gegenstand zwischen Kopf und Schulter, zwischen Oberarm und Torso oder zwischen den Oberschenkeln fixiert wird (OLG Köln, Beschluss v. 4.12.2020, III-1 RBs 347/20).

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