Gewerkschaftsbund ist nicht die  „Größte Deutsche Fachkanzlei“

Gewerkschaften haben zur Zeit mächtig Aufwind. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund hat sich weit aus dem Fenster gelehnt – zu weit, wie kürzlich das Oberlandesgericht Koblenz entschied. Die DGB-Rechtsschutz GmbH, die Mitglieder kostenlos in Rechtsangelegenheiten berät und vertritt, hatte sich mit dem Superlativ nicht nur selbst beweihräuchert, sondern auchgegen das UWG verstossen.  

Die Kläger sind als Fachanwälte für Sozialrecht tätig. Die Beklagte leistet Rechtsschutz für Gewerkschaftsmitglieder auf bestimmten Rechtsgebieten und hat in ihrem Internetauftritt und in einem Newsletter mit der Bezeichnung „DGB Rechtsschutz: Größte Deutsche Fachkanzlei“ und „Größte Deutsche Fachkanzlei“ geworben.

Fachanwälte für Sozialrecht klagten gegen vollmundig auftretenden Gewerkschaftsbund

Die DGB-Rechtsschutz GmbH beschäftigt sogenannte Rechtssekretärinnen und Rechtssekretäre, von denen ein großer Teil über die Befähigung zum Richteramt verfügt.

Die klagenden Fachanwälte verlangen von der Beklagten Unterlassung der beanstandeten Werbung und die Freistellung von vorgerichtlichen Abmahnkosten. Sie sind der Auffassung, die beanstandete Werbung verstoße und gegen § 5 UWG.

Irreführung des Verbrauchers

Der Verbraucher verbinde mit dem Begriff „Größte Deutsche Fachkanzlei“ die Vorstellung,

  • es handele sich um die größte Rechtsanwaltskanzlei in Deutschland, bei der Fachanwälte beschäftigt seien
  • und gehe außerdem davon aus, dass diese Kanzlei Rechtsdienstleistungen für jedermann auf allen Rechtsgebieten anbiete.

Der mit dieser Werbung verbundenen Irreführung des Verbrauchers fehle entgegen der Auffassung der DGB-Rechtsschutz GmbH nicht die rechtliche Relevanz, weil die klagenden Fachanwälte neue Mandate in erheblichem Umfang über das Internet generierten.

Meinungsgutachten belegt Irreführung

Nach dem Ergebnis des vom Gericht eingeholten Meinungsgutachtens stand nach der Überzeugung des Senats fest, dass sowohl der Internetauftritt als auch der Newsletter der Beklagten irreführend sind. Bei der Durchführung der Beweisaufnahme war davon auszugehen, dass sich die Beklagte mit ihrer Werbung nicht nur an Gewerkschaftsmitglieder, sondern grundsätzlich an alle Verbraucher wendet. Eine Einschränkung des Adressatenkreises auf Gewerkschaftsmitglieder war weder dem Newsletter noch dem Internetauftritt zu entnehmen.

Meinungsgutachten erstellt

  • Nach dem Ergebnis des Gutachtens gingen hinsichtlich des Internetauftritts 62,7% der angesprochenen Internetnutzer davon aus, dass eine „Fachkanzlei“ eine Rechtsanwaltskanzlei mit Fachanwälten ist.
  • 37% der Befragten waren aufgrund des Internetauftritts der Auffassung, jedermann könne die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen.
  • 15,2% der angesprochenen Internetnutzer hatten die Vorstellung, die Beklagte biete auf allen Rechtsgebieten Leistungen an.

Hinsichtlich des Newsletters  ergab sich ein ähnliches Bild.

  • 55,7% der angesprochenen Verbraucher hielten eine Fachkanzlei für eine Rechtsanwaltskanzlei mit Fachanwälten.
  • 37,4% waren der Auffassung, jedermann könne die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen.
  • 20,2% der befragten Personen meinten, die Beklagte biete Leistungen auf allen Rechtsgebieten an.

Irreführungsquote zwischen 1/4 und 1/3 reicht

Das zur Frage des Verständnisses der Werbeaussagen eingeholte Sachverständigengutachten hat damit laut Richterspruch ergeben, dass bei einem erheblichen Teil der angesprochenen Verbraucher ein Irrtum im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG entsteht. „Der Senat teilt die Auffassung, dass für den Regelfall die erforderliche Irreführungsquote mit 1/4 bis zum 1/3 anzusetzen ist (…).

Ausgehend hiervon ergibt sich, dass die erforderliche Irreführungsquote sowohl hinsichtlich des Internetauftritts als auch hinsichtlich des Newsletters bei den ersten beiden Fragestellungen (Fachkanzlei als Rechtsanwaltskanzlei mit Fachanwälten; Offenstehen der Leistungen für jedermann) erreicht ist. Der Umstand, dass die Irreführungsquote bei der dritten Fragestellung nicht erreicht ist, ist für die Entscheidung nicht mehr erheblich“, befanden die Koblenzer Richter.

(OLG Koblenz, Urteil vom 3.12.2014, 9 U 354/12).



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