Anspruch auf Laser-OP als Heilbehandlung bei Kurzsichtigkeit

Ist eine Laser-Operation der Augen die Behandlung einer Krankheit, die von der privaten Krankenversicherung übernommen werden muss? Der BGH hat sich mit dem Krankheitsbegriff und dem Anspruch auf Heilbehandlung auseinandergesetzt.

Die klagende Versicherungsnehmerin hatte eine Augenoperation mittels Laser erfolgreich durchführen lassen und forderte von ihrer privaten Krankenversicherung die Übernahme der Kosten in Höhe von 3.500 Euro.

Ist Fehlsichtigkeit versicherungstechnisch eine Krankheit?

Eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von minus 3,0 und minus 2,75 Dioptrien ist eine Krankheit im Sinne von §1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung.

Private Krankenversicherer müssten deshalb die Kosten einer Laser-Optik-Operation zur Beseitigung der Fehlsichtigkeit übernehmen, falls die weiteren Voraussetzungen für die Kostenübernahme vorlägen.

Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung

In § 1 Abs. 2 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die in diesem Punkt den Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung entsprechen, heißt es:

„Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (….).“

In den Vorinstanzen hatte die Klage noch keinen Erfolg gehabt. Landgericht und Berufungsgericht waren davon ausgegangen, dass vom Vorliegen einer Krankheit gemäß den Versicherungsbedingungen nur gesprochen werden könne, wenn eine Abweichung vom natürlichen körperlichen Zustand vorliege, die nicht dem normalen Entwicklungs- oder Alterungsprozess entspreche.

Vorinstanzen: Keine Krankheit, sondern Folgen des Alterns

Begründet wurde dies damit, dass laut den Ausführungen eines Sachverständigen 30 bis 40 Prozent der Menschen mittleren Alters – so wie die Klägerin – kurzsichtig seien. Von einer pathologischen Kurzsichtigkeit (Myopie) nach internationalem Standard könne erst ab minus 6 Dioptrien gesprochen werden. Der Klägerin sei zudem das Tragen einer Brille möglich und zumutbar gewesen.

Der BGH entschied patientenfreundlich

Beim Krankheitsbegriff in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen komme es nicht auf das Verständnis in medizinischen Fachkreisen an, sondern auf das eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers

  • Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer werde davon ausgehen, dass zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehöre
  • Eine bedingungsgemäße Krankheit werde ein Versicherungsnehmer annehmen, wenn bei ihm eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung der körperlichen Normalfunktion vorliege, die ohne Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermögliche

Zur Prüfung der Frage, ob die durchgeführte Operation eine medizinisch notwendige Behandlung darstelle, hat der BGH den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei wies der IV. Senat darauf hin, dass die Notwendigkeit einer Operation nicht allein deshalb verneint werden könne, weil es üblich sei, eine Brille oder Kontaktlinsen zu tragen.

Brillen/Kontaktlinsen = Hilfsmittel, keine Heilbehandlung

Brillen oder Kontaktlinsen würden vielmehr als Hilfsmittel eingesetzt, um körperliche Defekte über einen längeren Zeitraum auszugleichen.

Die vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen machten Versicherungsnehmern in keiner Weise deutlich, dass die Erstattungsfähigkeit von Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängig sein soll, ob Versicherungsnehmer dauerhaft auf Hilfsmittel zugreifen können, mit denen sie ihren „anormalen Körperzustand“ ausgleichen oder abschwächen können, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern.

(BGH Urteil vom 29.03.2017 - IV ZR 533/17).

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Hintergrund:

Schon länger gab es unterschiedliche Entscheidungen dazu, ob und ab welcher Dioptrienzahl ein Anspruch von Privatpatienten auf Erstattung einer Augenlaser-Operation besteht. Da die Urteile auseinander gingen, war ein BGH-Urteil zu diesem Thema eine zumindest für Versicherte wünschenswerte Klarstellung.