Blockchain-basierte Unternehmensfinanzierung mit Token-Economy

Die alternativen Unternehmensfinanzierungen der letzten Jahre standen im Zeichen von ICOs (Initial Coin Offering). Sie sollten vor allem Start-up’s schnelle Kapitalaufnahme bei verhältnismäßig geringem Aufwand bieten. Doch es zeigen sich Probleme von Token-Transaktionen in einem darauf nicht eingerichteten Rechtssystem. Bedeuten sie schon das Ende der Blockchain-basierten Unternehmensfinanzierung oder sind sie für den Gesetzgeber lösbar?

Unternehmensfinanzierung für KMU ist mit deutschen Banken zumeist mühsam. Formalien und geforderte Sicherheiten legen nicht nur Start-up-Unternehmen Steine in den Weg. Sind Digitale Wertpapiere für das Startkapital eine gangbare und sichere Alternative?

ICOs als Shooting-Stars alternativer Unternehmensfinanzierung

Der Name ICO weicht nicht zufällig nur geringfügig vom englischen Börsengangkürzel „IPO“ ab. Er steht für „Initial Coin Offering“, die originäre Ausgabe einer begrenzten Zahl sogenannter Coins oder – wie sich im Sprachgebrauch eingebürgert hat – Token (Münze). So funktioniert es: Der Erwerber der in begrenzter Zahl ausgegebenen Token erhält diese im Gegenzug für eine Zahlung in Krypto- oder Fiatwährung.

Jeder Token verkörpert ein bestimmtes Recht oder einen Anspruch gegenüber dem Tokenemittenten. Gängige Fälle sind hier z.B. die Verkörperung einer Dienstleistung, sodass dem Token eine Gutscheinfunktion innewohnt oder ein schuldverschreibungsähnlicher Anspruch auf Zahlung (Investment Token).

Anders sogenannte Currency Token wie der Bitcoin und andere sogenannte Kryptowährungen. Sie unterscheiden sich insofern, weil sie keinen Anspruch gegen Dritte verkörpern, sondern ihren Wert in sich tragen. Dieser Beitrag klammert Currency Token bewusst aus, weil für diese ein anderer Rechtsrahmen gilt.

Für die Unternehmen ist der Token-Offering-Weg eine interessante Alternative zu den aufwändigeren marktüblichen Varianten der Finanzierung.

Token-Offering mit vagem Whitepaper als Start der Unternehmensgründung

Pikanterweise erfolgte die Tokenausgabe als alternatives Finanzierungsmodell nicht selten vor der Umsetzung der Geschäftsidee des Unternehmens. Während also üblicherweise erst der Businessplan steht und im nächsten Schritt die Finanzierung erfolgt, kehrte sich diese Reihenfolge bei ICOs und sonstigen Token Offerings um: In einem häufig an spezifischen Informationen spärlichen, auf eine Webseite hochgeladenen sogenannten Whitepaper wurden zunächst grobe Entwürfe, Pläne und Visionen dargelegt, die Realisierung war für die Zeit nach dem Einsammeln von Kapital avisiert. Das barg Gefahren für Anleger.

Nach Ernüchterungen sind STOs und ETOs auf dem Vormarsch – zu Recht?

In einem vielzitierten Bericht der Statis-Group ist nach Auswertung der ICOs aus dem Jahr 2017 die Rede davon, etwa 80% aller ICOs im Jahr 2017 seien in betrügerischer Absicht erfolgt (sog. „Scam“) und auch der ICO des Frankfurter Fintechs Savedroid weckt primär negative Assoziationen.

Vor diesem Hintergrund sind nunmehr STOs (Security Token Offerings) und ETOs (Equity Token Offerings) auf dem Vormarsch – der Name klingt anders, das Prinzip bleibt indes gleich. Diese Finanzierungsformen bergen indes vielschichtige Risiken für Emittenten und Anleger.

Tokentransfer via Blockchain im Vergleich zum Aktienhandel

Die digitalen Token erfreuen sich auch deshalb großer Beliebtheit, weil sich Transfer und Verwahrung vermeintlich einfach gestalten. Während sich z.B. Aktien üblicherweise in einer Sammelverwahrungsstelle befinden und der depotführende Verwahrer dem Eigentümer der Aktien den Besitz der Aktien mittelt, gebührt der im Token verkörperte Anspruch demjenigen, der den Token faktisch besitzt. Für den Verkauf von Aktien an einen Neueigentümer sind regelmäßig nicht unerhebliche Gebühren an (Online-)Broker zu entrichten und der Übergang in den Aktien verbrieften Forderungen wird vollzogen, indem der Besitz an den Aktien als physischem Wertpapier nunmehr dem Erwerber gemittelt und dieser dadurch Eigentümer der Aktien wird.

Aktien

Viel einfacher ist da die Tokenübertragung: Die Token werden bei Emission gegen Bezahlung auf den vorher zu eröffnenden sog. Public Account des Anlegers überwiesen. Möchte dieser die Token an einen Dritten übertragen, so hat er den Übertragungsvorgang unter Angabe des empfängerseitigen Public Accounts lediglich mit seinem korrekten Schlüsselpaar aus Public Key und Private Key zu signieren. Im nächsten Schritt wird die Transaktion von den sogenannten Minern im jeweiligen Netzwerk bestätigt, indem diese die verschlüsselten Überweisungsdaten an die protokollartige Kette aller vorangegangenen Transaktionen im Netzwerk für alle Teilnehmer einsehbar anheften.

Token-Transaktion als Wettlauf der Miner

Die Miner erhalten Transaktionsgebühren und Block Rewards in Gestalt von Zahlungs- oder sonstigen Token und agieren auf der prognostischen Basis, dass sich durch künftig steigende Attraktivität des von ihnen genutzten Netzwerks der Wert ebendieser (in begrenzter Zahl existierender und daher gegen Inflation gefeite) Token erhöht.

Im Wettlauf der Miner entscheidet derjenige das Rennen um die anzuheftenden Neublöcke für sich, der am schnellsten die Voraussetzungen des systemeigenen Konsensmechanismus erfüllt. Häufig ist dies ein Arbeitsnachweis (Proof-of-Work) durch „Erraten“ einer zufällig generierten Zahl (z.B. Zahl zwischen 000030 und 000040). Die aktuelle Version der Kette an Transaktionen (daher „blockchain“=Blockkette) befindet sich jedenfalls verteilt, also dezentral, auf den Rechnern der gewissermaßen an die Blockchain angedockten Nutzer, der sog. Nodes. Jeder mit Internetanschluss und ausreichender Rechenkapazität kann Node und/oder Miner sein, ein zentraler Intermediär, ein identifizierbarer Betreiber der Blockchain existiert bei sogenannten offenen Blockchains nicht. Das erscheint in Bezug auf die Transaktionen von Token auf den ersten Blick kompliziert, auf den zweiten Blick bestechend einfach, entpuppt sich aber bei genauer Betrachtung als äußerst heikel. Aber warum?

Probleme der Token-Übertragung unter aktuell geltendem Recht

Problematisch an der Übertragung ist aus rechtlicher Sicht Folgendes: Nach deutschem Recht erfordert die Übertragung einer Forderung (= im Token verkörperter Anspruch) unter anderem die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen desjenigen, der die Forderung überträgt und desjenigen, der diese erhält. Die beiden müssen sich über den Übergang der Forderung einig sein. Das gleiche gilt, wenn jemand Forderungen aus einer Aktie überträgt. Mit Übereignung des physischen Aktienpapiers geht als Mitgliedschaftsrecht auch der Anspruch auf Dividende über.

Auch im Rahmen dieser Übereignung muss Einigkeit über den Eigentumsübergang bestehen zwischen demjenigen, der sein Eigentum an der Aktie verliert und demjenigen, der das Eigentum erwirbt. Der Zweck der Ausgabe von Token liegt darin, dass das tokenemittierende Unternehmen die Leistung mit leistungsbefreiender Wirkung an den Tokeninhaber erbringt. Es muss sich also keine Sorgen machen, dass in Wirklichkeit ein Dritter Inhaber der durch den Token verbürgten Forderung ist, der dann daneben seinen Anspruch geltend macht → Vermeidung doppelter Leistung. Damit dies funktioniert, müsste sichergestellt sein, dass der Inhaber der Token jeweils auch der Inhaber des Anspruchs ist. Das ist leider problematisch.

Auseinanderfallen von Registerlage und Rechtslage

Zur Tokenübertragung genügt wie bereits erwähnt einzig die Signatur einer Überweisung durch korrekte Eingabe des Schlüsselpaars aus sogenanntem Public Key + Private Key. Dass der Überweisende dabei eine wirksame Willenserklärung abgibt, ist für die Dokumentation der Transaktion als erfolgreich im Blockchainnetzwerk gerade nicht erforderlich. Miner überprüfen die Korrektheit der Signatur und liefern sich dann einen Wettlauf um die Belohnung für das Anheften des Übertragungsakts an das Transaktionsprotokoll namens Blockchain.

Eine Willenserklärung kann allerdings fehlerhaft oder anfechtbar sein. Weniger übliche, aber keineswegs ausgeschlossene Fälle sind z.B. Geschäftsunfähigkeit wegen Handeln unter Drogen- oder Medikamenteneinfluss, realistischer hingegen Willenserklärungen, die unter dem Eindruck einer arglistigen Täuschung des Leistungsempfängers oder von Minderjährigen abgegeben werden. Jedenfalls kann dies zu der misslichen Situation führen, dass eine Transaktion als erfolgreich in der Blockchain abgespeichert wird, obwohl die im Token verbriefte Forderung rechtlich gesehen noch beim Verfügenden hängt.

Bei der nächsten Veräußerung dieses Tokens kann der nunmehr Überweisende gar nicht über die Forderung verfügen, weil er nicht deren Inhaber hat – Inhaber des rechtlichen Überweisungsgegenstands, der Forderung, ist ein anderer, Token hin oder her. An der wirksamen Tokenübertragung durch ihn ändert dies freilich nichts.

(Noch) Kein gutgläubiger Token-Erwerb von Nichtberechtigten

Das wäre freilich kaum problematisch, wenn ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten in solchen Fällen möglich wäre. Das setzt aber voraus, dass ein vom deutschen Recht anerkannter Rechtsschein in Bezug auf die Innehabung des Tokens besteht. Das ist aber nicht der Fall. Das deutsche Recht kennt den gutgläubigen Erwerb beweglicher (physischer) Sachen oder von Rechten und Sachen, die in einem amtlichen Register als dem Verfügenden gehörend geführt sind. Dazu gehören auch Wertpapiere wie Aktien als gegenständlich (in Papierform) existierende Sachen, virtuelle Token auf einer Blockchain allerdings (noch) nicht.

Stand jetzt bedeutet dies: Der an den Tokeninhaber leistende Emittent riskiert, dass er diese Leistung ein weiteres Mal, diesmal an den wahren Forderungsinhaber erbringen muss. Er kann dann zwar theoretisch vom – ihm zumeist unbekannten – Tokeninhaber Herausgabe des Erlangten (Wertersatz) verlangen, bleibt aber auf seinem Verlust sitzen, wenn dieser das Erlangte mit Vertrauen darauf, als Berechtigter zu handeln, bereits verbraucht hat.

Mit jeder weiteren Transaktion des jeweiligen Tokens steigt für den Emittenten das Risiko eines solchen Falles. Was bleibt: So rechtssicher und einfach wie von Blockchainbegeisterten versprochen stellen sich Tokenerwerb und -einlösung fürwahr nicht dar.

Rechtliche Zukunft: Wertpapierähnlichkeit von Token

Die Bundesregierung möchte das ändern. Wohl vergleichbar mit dem Liechtenstein Blockchain Act möchte man im Rahmen eines neuen Gesetzes die Voraussetzungen für Token als digitale Wertpapiere schaffen. Ein gutgläubiger Erwerb der Papiere soll dann möglich sein, die Dokumentation auf der Blockchain und die Forderungsübertragung sollen synchron laufen, damit der Emittent mit befreiender Wirkung an den Tokeninhaber leisten kann. Der Leistungsaustausch kann auf diesem Weg rechtssicher und transaktionseffizient über einen vorher festgelegten und an Bedingungen geknüpften Automatismus ablaufen (sog. Smart Contract). Bei der Programmierung dieses irreversibel einprogrammierten Smart Contracts darf dann jedoch kein Fehler unterlaufen. Andernfalls bliebe von den versprochenen Effizienzvorteilen wenig übrig.

In Zukunft können dann junge Unternehmen mit erfrischenden Ideen möglicherweise leichter Kapital einsammeln.

Technologie- und Infrastrukturabhängigkeit von Token-Investments

Zu hoffen bleibt dabei, dass die Emittenten ihren Informationspflichten nachkommen, d.h. die Anleger ordnungsgemäß über Risiken des Investments aufklären. Denn in der Praxis negieren diese häufig die Technologie- und Infrastrukturabhängigkeit ihrer Token-Investments. Es existiert nicht eine einzige Blockchain, vielmehr bestehen unterschiedliche, miteinander konkurrierende digitale Umgebungen, so z.B. das Ethereum- oder das Stellarnetzwerk. Diese werden nur solange mit Erfolg betrieben, wie genug Einzelne wirtschaftliche Anreize darin sehen, sich als Node oder Miner am Netzwerk zu beteiligen. Fällt diese – vom Token-Emittenten nicht kontrollierbare – Voraussetzung plötzlich weg, so werden Transaktionen nicht mehr validiert, die Geschäftsgrundlage des Investments ist gestört, weil die Infrastruktur, welche die digitalen Assets erst fungibel macht, wegbricht.

Eine viel größere Gefahr stellt wegen der Möglichkeit der Decodierung kryptografisch verschlüsselter Daten die Leistungsfähigkeit von Quantencomputern dar: Dies könnte das jähe Ende der vielgepriesenen Blockchain bedeuten, deren kryptografische Grundlagen damit überholt würden – die Berechnung der verschlüsselten, zur Transaktionssignatur nötigen Schlüsselpaare, wäre plötzlich zum Greifen nahe.

Fazit: Nach alledem ist Vorsicht geboten. Die Absicht der Regierung, bei technischen Entwicklungen auch im internationalen Vergleich nicht ins Hintertreffen zu geraten, ist löblich. Der Beweis für die bruchlose und nachhaltige Eignung der Blockchaintechnologie im Kontext von Token-Transaktionen ohne erhebliche Reibungsverluste auf Anlegerseite muss jedoch erst erbracht werden. Man darf gespannt sein, wie der Gesetzgeber die zahlreichen Herausforderungen zu meistern sucht.




Hintergrund:

Wörtlich übersetzt bedeutet Blockchain in der deutschen Sprache „Blockkette“. Blockchain beschreibt dabei die dezentrale Datenbankstruktur, die sich beispielsweise hinter einer Kryptowährung verbirgt. Die Transaktionen in der jeweiligen Kryptowährung werden auf allen beteiligten Servern gespeichert und in sog. Blocks zusammengefasst, die mit sämtlichen historischen Transaktionen verkettet sind. Es ähnelt einer digitalen Buchhaltung mit dezentraler Speicherung, die sämtlichen Nutzern in identischer Form zur Verfügung stehen und von diesen verwaltet wird. Unveränderlichkeit gepaart mit einem sehr hohen Sicherheitsniveau gegen äußerliche Einflüsse zeichnet die Blockchain-Technologie aus. Zusammengefasst beschreibt sie die Art und Weise der Datenspeicherung.


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