Einziehung von Geschäftsanteilen und Abfindungsanspruch

Die persönliche Haftung der Gesellschafter auf Zahlung der Abfindung entsteht erst dann, wenn die Fortsetzung der Gesellschaft durch die Gesellschafter unter Verzicht auf Maßnahmen zur Befriedigung des Abfindungsanspruchs als treuwidrig anzusehen ist.

Hintergrund

Der Kläger war Gesellschafter einer GmbH. Am 30.6.2008 beschloss die Gesellschafterversammlung mit Zustimmung des Klägers die Einziehung seines Geschäftsanteils. Als Abfindung sollte der Kläger 900.000 € in drei gleichen Raten erhalten. Die ersten beiden Raten wurden an den Kläger gezahlt. Kurz vor der Fälligkeit der letzten Rate wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Auszahlung aufgrund einer bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft nicht möglich sei. Der Kläger nahm daraufhin die beklagten Gesellschafter auf Zahlung der letzten Rate in Höhe von 300.000 € nebst Zinsen in Anspruch.

Das LG Hildesheim hat die Klage abgewiesen. Das OLG Celle hat die Beklagten zur Zahlung von je 75.000 € nebst Zinsen verurteilt. Hiergegen wandten sich die Beklagten mit der Revision.

BGH, Urteil v. 10.5.2016, II ZR 342/14

Der BGH hob das Berufungsurteil des OLG Celle insoweit auf, als die Beklagten zur Zahlung verpflichtet wurden, und verwies die Sache zurück. Eine persönliche Haftung der verbleibenden Gesellschafter sei nicht ersichtlich. Eine solche entstehe weder bereits mit dem Wirksamwerden des Einziehungsbeschlusses, noch allein aufgrund des Umstandes, dass die Gesellschaft zum Zeitpunkt der Fälligkeit des Abfindungsanspruchs an der Zahlung gem. §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG gehindert gewesen sei. Die verbleibenden Gesellschafter haften erst dann persönlich, wenn sie die Gesellschaft unter Verzicht auf Maßnahmen zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs treuwidrig fortsetzen. Dies gelte nicht nur für den vorliegenden Fall, in dem die Einziehung mit Zustimmung des Gesellschafters geschehen sei, sondern gleichermaßen auch dann, wenn die Einziehung gegen den Willen des betroffenen Gesellschafters erfolge.

Anmerkung

In einem früheren Urteil (Urteil v. 24.01.2012, II ZR 109/11) hatte der BGH bereits entschieden, dass die übrigen Gesellschafter zur Zahlung des Abfindungsanspruchs persönlich verpflichtet sein könnten, sofern die Gesellschaft die Abfindung nach §§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG (Kapitalerhaltung) nicht leisten kann. Mit dem nun ergangenen Urteil hat der BGH den Zeitpunkt und die Voraussetzungen der persönlichen Haftung der Gesellschafter präzisiert: Es besteht nun Klarheit, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter nur in Betracht kommt, wenn dieser durch treuwidriges Verhalten verhindert, dass die Gesellschaft die Abfindungszahlung aus ihrem Vermögen leisten kann. Dies kann etwa im Falle der absichtlichen Herbeiführung der bilanziellen Überschuldung oder durch die Mitwirkung an einer treuwidrigen Fortsetzung der Gesellschaft trotz Insolvenzreife der Fall sein.

Rechtsanwälte Dr. Hendrik Thies, Dr. Jan Henning Martens, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg

 

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