Treuwidrigkeit eines Einziehungsbeschlusses nach Pfändung eines Geschäftsanteils
Der Kläger war als Gesellschafter an der Beklagten, einer GmbH, beteiligt. Die Beklagte hatte gegen den Kläger einen Zahlungsanspruch gerichtlich geltend gemacht und ein entsprechendes Zahlungsurteil erwirkt. Noch bevor das Urteil rechtskräftig wurde, leitete die Beklagte die Pfändung der Geschäftsanteile des Klägers ein.
Hintergrund
Die Satzung der Beklagten sah vor, dass die Geschäftsanteile eines Gesellschafters bei Pfändung eingezogen oder zwangsweise abgetreten werden können. Unter Berufung auf diese Regelung beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten die Zwangsabtretung der Geschäftsanteile des Klägers an die Beklagte. Eine geänderte Gesellschafterliste wurde kurz darauf im elektronischen Handelsregister hinterlegt.
Der Kläger focht den Zwangsabtretungsbeschluss an. Außerdem beantragte er im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, der Gesellschafterliste einen Widerspruch zuzuordnen.
Die Entscheidung des KG Berlin vom 09.03.2020 (Az. 2 U 80/19)
Nachdem der Kläger mit seinem Antrag auf Zuordnung des Widerspruchs zunächst erfolglos geblieben war, gab ihm das KG Berlin letztlich Recht und bestätigte, dass der Gesellschafterliste im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ein Widerspruch zugeordnet werden müsse. Es bestünden, so das KG Berlin, erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des Zwangsabtretungsbeschlusses; dieser sei voraussichtlich treuwidrig gewesen.
Anmerkung
In GmbH-Satzungen findet sich häufig die Regelung, dass die Geschäftsanteile eines Gesellschafters ohne seine Zustimmung eingezogen oder zwangsweise abgetreten werden können, wenn sie gepfändet wurden. Diese Bestimmungen sollen das Eindringen gesellschaftsfremder Dritter in die Gesellschaft (und deren Einflussnahme auf die Entscheidungen der Gesellschaft) vermeiden. Ein Gläubiger, der Geschäftsanteile eines Gesellschafters gepfändet hat, soll von den übrigen Gesellschaftern „hinausgeworfen“ und auf den hierdurch entstehenden Abfindungsanspruch verwiesen werden können. Die Satzung kann dabei nicht nur eine Einziehung vorsehen, sondern auch die Zwangsabtretung an einen anderen Gesellschafter, einen Dritten und / oder die Gesellschaft selbst. Dies ist gerade dann eine sinnvolle Alternative, wenn eine Abfindung nicht aus dem freien Vermögen der Gesellschaft gezahlt werden könnte und die Einziehung daher an den strengen GmbH-Kapitalerhaltungsvorschriften scheitern würde (§§ 34 Abs. 3, 30 Abs. 1 GmbHG).
Diese Möglichkeit, gepfändete Geschäftsanteile einzuziehen oder zwangsweise abzutreten, gilt allerdings nicht unbeschränkt. Sie muss stets vor dem Hintergrund der gesellschafterlichen Treuepflicht gesehen werden und darf diese nicht verletzen. Dabei kann es – so das KG Berlin – im Einzelfall treuwidrig sein, wenn die Gesellschaft selbst die Geschäftsanteile gepfändet hat und danach deren Einziehung / Zwangsabtretung beschließt. Denn wie das Gericht zu Recht angemerkt hat, besteht insofern das Risiko des Eintritts eines gesellschaftsfremden Dritten in die Gesellschaft, das typischerweise die Einziehung / Zwangsabtretung nach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen rechtfertigt, gerade nicht. Hinzu kam, dass die Pfändung und anschließende Zwangsabtretung der Geschäftsanteile nach Auffassung des KG Berlin nur vorgeschoben war – faktisch sei es darum gegangen, den Kläger wegen tiefgreifenden Zerwürfnissen mit den übrigen Gesellschaftern auszuschließen.
Für die Praxis ruft das Urteil des KG Berlin in Erinnerung: Einziehungs- und Zwangsabtretungsmaßnahmen mit Blick auf GmbH-Geschäftsanteile sind kein Selbstläufer und zwar auch nicht dann, wenn ein Einziehungsgrund in der Satzung geregelt ist. Vielmehr muss jeder Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsbeschluss die gesellschafterliche Treuepflicht beachten; andernfalls ist er anfechtbar. Wichtig ist dabei der Blick auf den konkreten Einziehungsgrund, der nicht vorgeschoben sein darf, sondern die Einziehung / Zwangsabtretung im Einzelfall tatsächlich tragen muss. Wer die Einziehung bzw. die Zwangsabtretung von Geschäftsanteilen betreibt, sollte dies stets in Erinnerung behalten und Einziehungs- bzw. Zwangsabtretungsmaßnahmen entsprechend sorgfältig vorbereiten.
Betroffene Gesellschafter wiederum sollten darauf achten, sich innerhalb der geltenden Fristen mit einer Anfechtungsklage gegen einen treuwidrigen Einziehungs- oder Zwangsabtretungsbeschluss zur Wehr zu setzen, damit dieser nicht rechtskräftig wird. Daneben können – wie auch im Fall des KG Berlin – Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes hilfreich sein (z.B. auch Eintragung eines Widerspruchs in die Gesellschafterliste oder sogar – noch früher – die Untersagung der Einreichung einer neuen Gesellschafterliste an die Geschäftsführung der Gesellschaft).
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