EuGH: Roamingaufschläge seit 15.6.2017 unzulässig

EuGH stärkt Mobilfunkkunden den Rücken. Der Anbieter O2 war verpflichtet, sämtliche Kunden automatisch ab dem 15.6.2017 auf den neu regulierten EU-Roamingtarif ohne Roamingaufschläge innerhalb der EU umzustellen.

Im gesamten EU-Raum wurden die Roamingaufschläge für Mobilfunk-Endkunden mit Wirkung vom 15.6.2017 abgeschafft. Die unter der Bezeichnung „O2“ tätige „Telefónica Germany“ hat allerdings auch nach diesem Zeitpunkt bei einigen Kunden weiterhin die sogenannten Roamingaufschläge für Mobilfunkgespräche im EU-Ausland erhoben.

O2 stellte nicht alle Kundenprofile automatisch um

O2 hat zunächst sämtliche Kunden, die sich schon vor dem 15.6.2017 im regulierten Roaming-Tarif befanden, fristgerecht automatisch auf den neu regulierten Roaming-Tarif ohne Roamingaufschläge umgestellt. Eine nicht geringe Zahl von O2 Kunden hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings einen speziellen, alternativen O2-Roaming-Tarif gebucht. Diese Kunden wurden auf der O2-Internetseite darüber belehrt, dass sämtliche O2-Kunden ab dem 22.5.2017 den Wechsel in den regulierten EU-Roaming-Tarif per SMS vornehmen können. Die Umstellung erfolge aufgrund dieser SMS dann automatisch. Der Kunde erhalte hierüber eine Bestätigung ebenfalls per SMS. Alternativ wurde die Umstellung per Kundenantrag über die O2-App angeboten.

Verbraucherzentralen-Bundesverband klagt auf Unterlassung

Der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände beanstandete diese Verfahrensweise und klagte vor dem LG München auf Unterlassung bzw. auf Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Erfordernisses einer gesonderten Kundenerklärung. Der Verbraucherverband vertrat die Auffassung, O2 hätte sämtliche Kunden unabhängig von deren Kundenprofil automatisch auf den neuen Tarif umstellen müssen.

LG München beschließt Vorlage an EuGH

Das LG München hatte Zweifel hinsichtlich der Auslegung der für die Entscheidung maßgeblichen EU-Roaming-VO Nr. 531/2012 und legte dem EuGH die Frage zur Beantwortung vor, ob Mobilfunkanbieter nach dieser Verordnung verpflichtet waren, die Umstellung automatisch vorzunehmen, ohne dass hierzu gesonderte Erklärungen von den Kunden verlangt werden durften.

Eindeutige Antwort des EuGH zugunsten der Kunden

Der EuGH stützte seine Antwort im Wesentlichen auf die Formulierung des Art. 6 a der EU-Roaming-VO. Dieser lautet:

Roaming Anbieter dürfen ihren Roaming-Kunden ab dem 15.Juni.2017 [...] im Vergleich mit dem inländischen Endkundenpreis in einem Mitgliedstaat weder zusätzliche Entgelte noch allgemeine Entgelte für die Nutzung von Endgeräten oder von Dienstleistungen im Ausland berechnen.


Hierzu stellte der EuGH unzweideutig fest:

Artikel 6a und Artikel 6e Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 531/2012 in der durch die Verordnung (EU) 2015/2012 des europäischen Parlaments und des Rates vom 25.11.2015 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass die Roaming-Anbieter ab dem 15.6.2017 verpflichtet waren, den neuen regulierten Roaming Tarif automatisch für alle Kunden anzuwenden.

Automatismus entspricht Sinn und Zweck der Roaming-VO

Der EuGH verwies zur Begründung seiner Auslegung zunächst auf den Wortlaut der EU-Roaming-VO, die unter der Bezeichnung „Roam like at home“ (=Roaming wie zu Hause) den kompletten Wegfall der Roaminggebühren innerhalb der EU für alle Mobilfunkkunden bezwecke. Die Formulierung der Vorschrift belege den eindeutigen Willen des Unionsgesetzgebers zu einer automatischen Einführung dieses neuen Tarifs und einer EU-weiten Abschaffung der unterschiedlichen Roamingentgelte.

Ziel: Einheitlicher Mobilfunk-EU-Binnenmarkt

Dieses Ergebnis folgt nach dem Diktum des EuGH auch aus den Erwägungsgründen der VO 2015/2020. Das Ziel sei die Schaffung eines für alle EU-Bürger einheitlichen EU-Binnenmarktes im Mobilfunkbereich, in dem grundsätzlich nicht mehr zwischen Inlands- und Roamingtarifen unterschieden wird. Dieses Ziel werde effektiv nur durch eine automatische Umstellung der Tarife erreicht. Von den Kunden dürfe sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Sinn der Verordnung daher nicht verlangt werden, die Aktivierung des neuen Tarifs mittels einer ausdrücklichen Willensbekundung in Form eines „Opt in“ vorzunehmen.

Unterscheidung nach dem Kundenprofil ist unzulässig

Die Umstellung darf nach der Entscheidung des EuGH auch nicht davon abhängig gemacht werden, ob die Kunden zuvor einen regulierten Tarif oder einen anderen Tarif gewählt hatten, denn die EU-Verordnung unterscheide nicht zwischen verschiedenen Kundenprofilen. Die Vorgehensweise von O2 war daher im Ergebnis unrechtmäßig.

Ausnahme nur bei ausdrücklicher Kundenerklärung

Eine Ausnahme ist nach der Entscheidung des EuGH allerdings dann zulässig, wenn der Kunde vor dem Stichtag 15.6.2017 gemäß Artikel 6e Abs. 3 der EU-Roaming-VO eine ausdrückliche Erklärung abgegeben hat, einen von O2 angebotenen anderen Tarif weiter nutzen zu wollen, denn dann beruhe die Abweichung auf der Privatautonomie des Kunden.


(EuGH, Urteil v. 3.9.2020, C-359/19)


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