Folgen verschwiegener Vorerkrankungen für den Versicherungsschutz
Für Versicherer in den Sparten der Kranken-, Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherung spielen bei Antragstellung Vorerkrankungen des künftigen Versicherungsnehmers eine wichtige Rolle, um das Kostenrisiko der Versicherung abzuschätzen zu können. Abhängig von der Beantwortung der Gesundheitsfragen entscheiden sie sich, ob sie mit dem Antragsteller ein Vertragsverhältnis eingehen oder ob sie die Konditionen auf das Risiko des Einzelfalls, etwa über einen Risikozuschlag anpassen.
Besser keinen Bandscheibenvorfall verschweigen
Beantwortet der Versicherungsnehmer die Gesundheitsfragen bei Antragstellung falsch oder unvollständig, um die Annahme seines Antrags zu erreichen, kann der Versicherer den Vertrag wegen Arglist anfechten und wird leistungsfrei (§ 22 VVG). Nicht jede bewusst falsche Antwort bedeutet eine Arglist des Versicherungsnehmers. Die falsche Antwort muss auch einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgen. Arglistig handelt der Versicherungsnehmer nur dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Vertragsannahme beeinflussen kann. Es ist dabei nicht erforderlich, dass ein rechtswidriger Vermögensvorteil angestrebt wird. Der Versicherer ist für die arglistige Täuschung beweispflichtig. Da es sich bei dem Bewusstsein des Antragstellers um eine innere Tatsache handelt, kann der Beweis meist nur durch einen Indizienbeweis geführt werden.
Indizien für Arglist
Für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers spricht, wenn er:
schwere, chronische oder schadensgeneigte oder
immer wieder auftretende zahlreiche oder dauerhafte Erkrankungen oder
gesundheitliche Beeinträchtigungen verschweigt oder
solche, die zu erheblichen Einschränkungen seines Alltags geführt haben oder
die ihm offensichtlich erheblich für das versicherte Risiko erscheinen mussten (OLG Saarbrücken, Urteil v. 9.11.2005, 5 U 50/05).
Der Versicherungsnehmer muss die gegen ihn sprechende Vermutung entkräften. Das Verschweigen leichterer Erkrankungen oder solcher, die vom Versicherungsnehmer nachvollziehbar als „leichter“ angesehen werden, reicht als Indiz für den Beweis der arglistigen Täuschung nicht aus (OLG Koblenz, Urteil v. 24.6.2005, 10 U 974/02).
Kenntnis des Versicherers
Weiß der Versicherer von den im Antragsformular verschwiegenen Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers, kann er den Vertrag nicht wegen arglistiger Täuschung anfechten. Der Versicherer muss bei der Risikoprüfung grundsätzlich nachfassen, wenn die Antworten des Antragstellers unzureichend sind und ohne ergänzende Antworten eine sachgerechte Risikoprüfung nicht möglich ist. Eine solche Nachfrageobliegenheit bei der Risikoprüfung hat der Versicherer im Fall einer arglistigen Täuschung nicht.
Rechtsfolgen der Anfechtung
Der Vertrag ist nach wirksamer Anfechtung von Anfang an nichtig. Die Versicherungsprämien stehen dem Versicherer gleichwohl bis zum Schluss der Versicherungsperiode, in der er von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, zu (§ 40 Abs.1 S.1 VVG).
Der Versicherer ist nach allgemeiner Meinung auch nicht für Versicherungsfälle vor der Anfechtung eintrittspflichtig, wenn sie unstreitig oder evident nicht mit dem arglistig verschwiegenen oder falsch angezeigten Umstand zusammenhängen. Kann dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung nachgewiesen werden, führt dies zur Nichtigkeit des Vertrags „ex tunc“, also rückwirkend. Die Versicherung muss dann nicht leisten. Eine Aufspaltung der Risikoübernahme in einen täuschungsfreien und einen nicht täuschungsfreien Teil ist damit ausgeschlossen.
Kann dem Versicherungsnehmer eine arglistige Täuschung nachgewiesen werden, führt dies zur Nichtigkeit des Vertrags „ex tunc“, also rückwirkend. Die Versicherung muss dann nicht leisten. Der arglistige Versicherungsnehmer soll nicht darauf spekulieren können, dass entweder die Täuschung nicht entdeckt wird oder ihm aber bis zur Auflösung des Vertrags der Versicherungsschutz zuteil wird, dessen Übernahme nicht durch die Täuschung beeinflusst ist.
Hinweis: Besonders bei Berufsunfähigkeitsversicherungen ist das Thema vorvertragliche Anzeigepflicht immer wieder Ursache für rechtliche Auseinandersetzungen. Im Leistungsfall, also wenn Berufsunfähigkeit eintritt, prüfen Versicherer sehr genau, ob sie wirklich zur Zahlung verpflichtet sind. Dabei spielt die Frage, ob vor Vertragsabschluss die umfangreichen Gesundheitsfragen richtig beantwortet wurden, eine zentrale Rolle.
Vgl. zu dem Thema auch:
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