Wann darf die Unfallversicherung die Leistungen wegen kürzen

Eine Unfallversicherung wollte ihrem Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung kürzen, weil er angeblich schon vor dem Unfall erheblich gesundheitlich beeinträchtigt war. Doch für das Vorliegen einer mitwirkenden Krankheit oder eines mitwirkenden Gebrechens gilt der Strengebeweis. Den muss die Versicherung erst Mal erbringen, um die Invalidenrente kürzen zu können.

Darf die private Unfallversicherung Leistungen kürzen, wenn ihr Versicherter auch schon vor dem Unfall nicht mehr ganz gesund war?

Man wird nicht jünger

Angesichts der Tatsache, dass mit zunehmendem Alter sich die eine oder andere Beeinträchtigung bei fast jedem einstellt und Abnutzungserscheinungen zum Lauf der Dinge gehört, eine wichtige Frage für alle Versicherten.

Schulter nach Ausrutschen dauerhaft beeinträchtigt

Im konkreten Fall war der Kläger beim Entladen von Ware aus seinem vor seiner Gaststätte abgestellten Pkw auf einer vereisten Stelle ausgerutscht.

Er fiel unglücklich auf die rechte Schulter. Dabei verletzte er sich so stark, dass eine Operation nötig war. Die lief nicht glatt. Letztlich erlitt der Mann trotz aller Behandlungen eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung seines Armes.

Krankentagegeld für 206 Tage und Invalidenrente

Bei seiner privaten Unfallversicherung machte er deshalb Krankentagegeld für 206 Tage geltend. Dazu forderte er für die Invalidität 44.800 Euro. Die Versicherung wollte sowohl das Krankentagegeld also auch die Invaliditätsleistung deutlich kürzen.

Versicherer beruft sich bei Kürzung auf Unfallversicherungs-Bedingungen

Sie berief sich dabei auf die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 2008). Dort ist festgelegt, dass der Versicherer seine Leistungen kürzen kann, „falls Krankheiten oder Gebrechen bei einer durch ein Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben“. Nur wenn der Mitwirkungsanteil unter 25 Prozent liegt, wird nicht gemindert.

Sturz nur auslösende Ursache der Gesundheitsschäden?

Die Versicherung behauptete nun, dass die Vorschädigung der rechten Schulter des Mannes deutlich über dem „altersgerechten Verschleiß“ gelegen habe.

  • Der unfallfreie Mitwirkungsanteil des Mannes liege deshalb weit über den in den Bedingungen formulierten 25 Prozent.
  • Der Sturz sei nur auslösende Ursache der weiteren gesundheitlichen Folgen gewesen.

Bei Zweifeln muss die Versicherung zahlen

Das OLG Stuttgart sah dies anders. Gemäß § 182 VVG habe der Versicherer die Voraussetzungen für einen Wegfall oder eine Minderung des Anspruchs nachzuweisen. Dafür gelten die Regeln des sog. Strengebeweises. Das heißt, dass Zweifel am Vorliegen einer mitwirkenden Krankheit oder eines mitwirkenden Gebrechens zu Lasten der Versicherung gehen.

Behandlungsbedürftig Vorschädigung muss zweifelsfrei nachgewiesen werden

Die Beweisaufnahme habe aber genau nicht zweifelsfrei ergeben, dass der Kläger hinsichtlich seiner Vorschädigung behandlungsbedürftig gewesen wäre oder vor dem Unfall unter Funktionsstörungen gelitten habe, urteilte das Gericht.

Fazit: Der Mann hat sowohl Anspruch auf das volle Krankentagegeld als auch auf die Invaliditätsleistung.

(OLG Stuttgart, Urteil v. 07.08.2014, 7 U 35/14).

Vgl. zu dem Thema auch:

Versicherung darf Leistung an Durchleuchten der Krankengeschichte knüpfen

Verlorener Versicherungsschutz wegen verschwiegener Krankheiten


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