Wann muss ein Geschäftsführer seine Erfindungen an die Gesellschaft übertragen?
Hintergrund: Gesellschafter meldete Patente und Geschmacksmuster an
Das OLG Frankfurt am Main hatte folgenden Fall zu entscheiden: Die Klägerin war eine GmbH, deren Geschäftsgegenstand darin bestand, Fahrzeuge umzubauen, um klimatisierte Transportmöglichkeiten zu schaffen. Der Beklagte war Gesellschafter der Klägerin und – ohne entsprechenden Anstellungsvertrag – wie ein Geschäftsführer tätig.
Die Klägerin wurde beauftragt, Fahrzeuge für den Transport von Arzneimitteln auszurüsten. Dabei muss nach europäischen Vorgaben ein bestimmter Temperaturkorridor dauerhaft eingehalten werden. Dies stellt vor allem während des Be- und Entladens ein Problem dar. Dem Beklagten gelang es, gemeinsam mit den Angestellten der Klägerin und des Auftraggebers mit Hilfe von Isolationswerkstoffen und Ventilatoren im Laderaum eine einfache und kostengünstige Lösung zu finden.
Für diese technische Lösung meldete der Beklagte im eigenen Namen mehrere Gebrauchsmuster und europäische Patente an. Die Klägerin verlangte die Übertragung dieser Rechte auf sie.
Andienungspflicht des Gesellschafters (Urteil des OLG Frankfurt v. 13.04.2017, Az. 6 U 69/16)
Das OLG Frankfurt gab der Klage statt. Zwar fehlten Regelungen zur Übertragung von Erfindungen im Gesellschaftsvertrag und es gab keinen Geschäftsführeranstellungsvertrag. Aus der ergänzenden Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergebe sich aber eine Andienungspflicht des beklagten Gesellschafters hinsichtlich der Erfindungen. Dem Beklagten seien lediglich die Amtsgebühren für die Anmeldung zu erstatten.
Das Gericht zieht eine Parallele zu den Pflichten von Organmitgliedern, die nicht gleichzeitig Gesellschafter sind. Ihr Anstellungsvertrag beinhalte regelmäßig die Pflicht zur Übertragung von technischen Entwicklungen, die das Organmitglied mit Hilfe der Ressourcen des Unternehmens im Rahmen seiner vertraglich vereinbarten Tätigkeit macht. Eine solche Pflicht bestehe aber auch, wenn der Anstellungsvertrag keine Regelungen treffe. Der Beklagte sei im vorliegenden Fall ähnlich wie ein Geschäftsführer in die Unternehmensleitung eingebunden gewesen. Er habe über dieselben Befugnisse verfügt, sei wie ein solcher aufgetreten und entlohnt worden. Die technische Lösung entstammte nachweislich der Zusammenarbeit des Beklagten mit den Angestellten der Klägerin und des Auftraggebers. Dabei wurde überwiegend auf die Ressourcen der Klägerin zurückgegriffen. So fußte die Erfindung maßgeblich auf dem Know-How, einem Betriebsmittelkredit, der Infrastruktur und dem Material der Klägerin.
Eine Erfindervergütung sei dem Beklagten daher nicht zuzubilligen, weil er dazu verpflichtet gewesen sei, seine Erfindung unentgeltlich anzudienen; dies sei von seiner Tätigkeitsvergütung mit abgegolten.
Anmerkung: Regelungen zur Übertragung von Erfindungen im Anstellungsvertrag festhalten
Die Entscheidung überzeugt und verdeutlicht, dass Geschäftsführer nicht wie Arbeitnehmer durch das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ANErfG) geschützt sind. Während Arbeitnehmer immer eine angemessene Vergütung für ihre Erfindungen erhalten (§ 9 ANErfG), wird bei Geschäftsführern oftmals unterstellt, die Erfindung sei durch die Vergütung mit abgegolten. Zwar ist es immer eine Frage des Einzelfalls, da die Erfindung, der Aufgabenkreis des Geschäftsführers und die zwischen den Parteien bestehenden Abreden berücksichtigt werden. Wird aber eine Erfindung im Rahmen der dem Geschäftsführer zugewiesenen Tätigkeit mit Hilfe von Ressourcen der Gesellschaft gemacht, steht dem Geschäftsführer keine Vergütung zu. Das gilt mit dem vorliegenden Urteil auch, wenn ein Gesellschafter wie ein Geschäftsführer in die Tätigkeit eingebunden ist.
Sowohl aus Sicht des Geschäftsführers als auch aus Sicht der Gesellschaft ist es ratsam, im Anstellungsvertrag Regelungen zur Übertragung von Erfindungen vorzusehen. Ist der Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter, kann die Regelung auch (zusätzlich) in den Gesellschaftsvertrag oder eine Gesellschaftervereinbarung aufgenommen werden.
Rechtsanwälte Dr. Jan Henning Martens, Stephanie Mayer, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
Mehr zum Thema Gewerblicher Rechtsschutz:
-
Italienische Bußgeldwelle trifft deutsche Autofahrer
2.172
-
Wohnrecht auf Lebenszeit trotz Umzugs ins Pflegeheim?
1.7342
-
Gerichtliche Ladungen richtig lesen und verstehen
1.635
-
Klagerücknahme oder Erledigungserklärung?
1.613
-
Überbau und Konsequenzen – wenn die Grenze zum Nachbargrundstück ignoriert wurde
1.471
-
Wie kann die Verjährung verhindert werden?
1.400
-
Brief- und Fernmelde-/ Kommunikationsgeheimnis: Was ist erlaubt, was strafbar?
1.368
-
Wann muss eine öffentliche Ausschreibung erfolgen?
1.305
-
Verdacht der Befangenheit auf Grund des Verhaltens des Richters
1.136
-
Formwirksamkeit von Dokumenten mit eingescannter Unterschrift
1.0461
-
Risiko der Betriebsstättenbegründung durch mobiles Arbeiten im Ausland
18.11.2024
-
Handelsregistervollmachten – Anforderungen und Umgang bei Rückfragen des Handelsregisters
12.11.2024
-
Datenschutzbehörden müssen nicht zwingend Sanktionen verhängen
07.11.2024
-
Typisch stille Beteiligung an Kapitalgesellschaften – Unterschiede zwischen GmbH und AG
06.11.2024
-
Bundesnetzagentur wird nationale Marktüberwachungsbehörde bei der KI-Aufsicht
05.11.2024
-
Neue Bundesverordnung zur „Cookie-Einwilligung“
31.10.2024
-
Zahl der Datenschutz-Bußgeldverfahren steigt
24.10.2024
-
Untersuchungs- und Rügeobliegenheit im B2B-Bereich
23.10.2024
-
Fernmeldegeheimnis gilt nicht für private E-Mails und Telefonate am Arbeitsplatz
17.10.2024
-
Wirecard: Geschädigte Aktionäre sind keine nachrangigen Gläubiger!
16.10.2024