Gesellschafterliste und Vermutung der Gesellschaftereigenschaft

Die Eintragung in der Gesellschafterliste einer GmbH begründet eine unwiderlegbare Vermutung für die Gesellschafterstellung des Eingetragenen. Dementsprechend können Geschäftsanteile einer Person, die nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, nicht eingezogen werden.

Hintergrund: Vermutungswirkung der Gesellschafterliste

An einer GmbH waren ursprünglich zwei Gesellschafter beteiligt: der Kläger und die A-GmbH. Die Gesellschafterversammlung beschloss mit den Stimmen der A-GmbH, die Anteile des Klägers einzuziehen. Der Einziehungsbeschluss wurde in der Folgezeit in einem gerichtlichen Verfahren für nichtig erklärt. Zwischenzeitlich übertrug die A-GmbH ihre Geschäftsanteile - ohne die gesellschaftsvertraglich vorausgesetzte Zustimmung des Klägers – auf die X-GmbH. In der Gesellschafterliste wurde seitdem die X-GmbH als alleinige Gesellschafterin der GmbH genannt, der Kläger fehlte hierin.

Auch die X-GmbH strengte eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers an. Nach erfolgloser Aufforderung an den Geschäftsführer berief die X-GmbH selbst eine Gesellschafterversammlung ein und beschloss dort die Einziehung. Hiergegen wendete sich der Kläger und beantragte die Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses.

Das Landgericht Neuruppin stellte fest, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers nichtig war und stellte darauf ab, dass die zu zahlende Abfindung nur unter Missachtung des Entnahmeverbots aus dem Stammkapital möglich sei. Die beklagte Gesellschaft legte gegen das Urteil Berufung ein und stellt sich auf den Standpunkt, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine Abfindung habe. Der Kläger wendet sich gegen die Berufung mit dem Argument, dass die Einberufung der Gesellschafterversammlung nicht wirksam gewesen sei, da die bei der Beschlussfassung anwesenden Gesellschafter tatsächlich noch nicht wirksam Gesellschafter geworden seien.

Das Urteil des OLG Brandenburg vom 12.08.2019 (Az. 7 U 169/18)

Die Berufung der beklagten GmbH wurde zurückgewiesen. Das OLG Brandenburg hält die Feststellung, dass die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers unwirksam war, aufrecht. Die Begründung ist allerdings ganz anders als im erstinstanzlichen Urteil: Das OLG Brandenburg stellt auf den Inhalt der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste ab: Da in der Gesellschafterliste nur die X-GmbH aufgeführt ist, gilt nur diese im Verhältnis zur GmbH als Gesellschafterin. Daraus folgt, dass die X-GmbH die Gesellschafterversammlung einberufen und Beschluss fassen konnte. Andererseits war eine Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers nicht möglich. Denn Geschäftsanteile einer Person, die ausweislich der Gesellschafterliste nicht Gesellschafterin ist, können nicht eingezogen werden.

Praxishinweis:

Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt derjenige, der in die Gesellschafterliste eingetragen ist, gegenüber der Gesellschaft als Gesellschafter – und zwar grundsätzlich unabhängig von der materiellen Rechtslage. Nur wer in der Gesellschafterliste auftaucht, kann Gesellschafterrechte ausüben, beispielsweise eine Gesellschafterversammlung einberufen.

Das Gleiche gilt umgekehrt: Wer nicht in der Gesellschafterliste eingetragen ist, gilt gemäß § 16 Abs. 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft nicht als Gesellschafter. Das gilt auch dann, wenn alle Beteiligten wissen, dass der Inhalt der Gesellschafterliste materiellrechtlich falsch ist. Wer nicht als Gesellschafter gilt, kann logischerweise auch nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Der Einziehungsbeschluss war daher nichtig.

Das Urteil ist ein Lehrstück zur Anwendung der Vermutungswirkung der Gesellschafterliste. Besonders hervorzuheben ist, dass das Gericht die Einheitlichkeit der Vermutungswirkung betonte. Die Beklagte nutzte die Vermutungswirkung zur Einberufung der Gesellschafterversammlung, wollte sie aber hinsichtlich der Einziehung der Geschäftsanteile des Klägers unberücksichtigt lassen und stattdessen auf die materielle Rechtslage abstellen. Eine solche Differenzierung kennt die Vermutungswirkung jedoch nicht. Zwar gibt es Fälle, in denen die Vermutungswirkung ausnahmsweise nicht greift, z. B. wenn die Liste gefälscht oder unter Zwang erstellt wurde. Ein solcher Fall lag aber dem vom Gericht zu entscheidenden Sachverhalt nicht zugrunde. Vielmehr verstieße es gegen Treu und Glauben, könnte sich die Beklagte einmal auf den Inhalt der Gesellschafterliste berufen und einmal auf die materielle Rechtslage.

Die falsche Gesellschafterliste kann nur durch Einreichung einer neuen Liste korrigiert werden. Da der Geschäftsführer spätestens durch das nun ergangene Urteil Kenntnis von der Fehlerhaftigkeit der Gesellschafterliste erlangt hat, ist er berechtigt und verpflichtet, eine neue Liste einzureichen, in der auch der Kläger als Gesellschafter mit seinen Anteilen aufgeführt wird.

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