Zur Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts beim Kauf von GmbH-Geschäftsanteilen
Zum Sachverhalt der Entscheidung
Die Klägerin und die Beklagte waren im Wege eines Joint Ventures zu jeweils 50 % an einer GmbH beteiligt. Nach Meinungsverschiedenheiten beabsichtigten die Parteien, das Joint Venture durch einen Verkauf der von der Beklagten gehaltenen Anteile an die Klägerin zu beenden. Zur Ermittlung des Kaufpreises wurde von der Klägerin bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein Gutachten in Auftrag gegeben, an dem sich die Parteien im Rahmen des Kaufvertrags auch orientierten.
Nach Abwicklung der Transaktion hat die Klägerin aufgrund eines Prüfberichts einer (anderen) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft u.a. die Rückerstattung des Kaufpreises gefordert, da der für die Kaufpreisfindung maßgebliche Jahresabschluss infolge massiver Abgrenzungsfehler deutlich zu hohe Umsatzerlöse ausgewiesen habe. Bei Zugrundelegung der zutreffenden Unternehmenszahlen hätten sich eine deutliche Unterbilanz und ein Kaufpreis „allenfalls von Null“ ergeben.
Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren weiter.
Die Entscheidung des BGH (Urteil vom 26.09.2018 – VIII ZR 187/17)
Die Revision hatte Erfolg. Der BGH hat seine zum „alten“ Kaufrecht aufgestellten Rechtsprechungsgrundsätze auch auf das nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltende Kaufvertragsrecht übertragen.
Zwar sieht das Gesetz in § 453 Abs. 1 BGB die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Kauf von Sachen nicht nur für den Kauf von Rechten (Alt. 1), sondern außerdem für den Kauf sonstiger Gegenstände (Alt. 2) – worunter nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch der Kauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen fallen soll – vor. Unberührt von dieser Regelungssystematik bleibt jedoch der Umstand, dass aufgrund des Wesens einer GmbH als juristischer Person beim Erwerb von Mitgliedschaftsrechten allein die betreffenden Gesellschaftsanteile den Kaufvertragsgegenstand bilden und Anknüpfungspunkt für die Gewährleistungsvorschriften darstellen. An dem von der GmbH betriebenen Unternehmen und den von diesem gehaltenen Sachwerten erwirbt ein Anteilskäufer mithin nach wie vor kein unmittelbares Recht.
Eine Haftung auch für Mängel des Unternehmens selbst (hier die Überschuldung) ist jedoch sach- und interessengerecht, wenn es sich bei dem Anteilskauf faktisch um den Kauf des „ganzen“ Unternehmens handelt. Dies ist der Fall, wenn der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen erwirbt und sich der Anteilskauf damit sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst und damit als Sachkauf darstellt.
Dieser Grundsatz gilt nach Auffassung des BGH allerdings nicht für eine sukzessive, in mehreren Schritten erfolgte Übernahme der gesamten Geschäftsanteile. Eine Übernahme von lediglich 50 % der Anteile reiche weder nach der Partei- noch der Verkehrsauffassung für die Annahme eines Sachkaufs. Es sei unerheblich, ob der Käufer – wie hier – bereits Anteile an der Gesellschaft halte und aufgrund dessen im Ergebnis die alleinige Verfügungsbefugnis über das betreffende Unternehmen durch den Kauf erhalte.
Schließlich stellt die Überschuldung nach Auffassung des BGH – entgegen vielfach vertretener Ansicht im Schrifttum – auch keinen Rechtsmangel der verkauften Anteile dar. Der Bestand der Anteile werde hierdurch nicht gefährdet, da die Überschuldung für sich den rechtlichen Bestand eines vom Verkäufer abgetretenen Gesellschaftsanteils gerade noch nicht beeinträchtigen und Stimmrechte und Gewinnansprüche bestehen würden. Die geschuldete Rechtsstellung werde auch bei Überschuldung und Insolvenzreife der Gesellschaft mangelfrei übertragen.
Anmerkung
Der BGH hat sich klar zur Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts beim Kauf von Gesellschaftsanteilen positioniert:
Entscheidend für die Annahme eines Kaufs des „ganzen“ Unternehmens und damit für Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts ist der konkrete Kaufgegenstand. Zwar wird bei einem sukzessiven Anteilserwerb der Wille des Käufers – regelmäßig auch mit Wissen des Verkäufers – darauf gerichtet sein, im Ergebnis die Unternehmensherrschaft zu erlangen. Konkreter Kaufgegenstand ist aber, auch wenn der Käufer bereits einen nicht unerheblichen Anteil an der Gesellschaft hält, stets nur der im Kaufvertrag genannte Gegenstand und damit nur die restlichen Mitgliedschaftsrechte an der Gesellschaft.
Die Rechtsprechung des BGH ist insoweit konsequent und nachvollziehbar. Allerdings verdeutlicht sie die herausgehobene Bedeutung entsprechender weitergehender Garantien in Anteilskaufverträgen, um sich als Käufer für Mängel des in Teilschritten erworbenen Unternehmens abzusichern.
Auch die Ablehnung eines Rechtsmangels bei Überschuldung der Gesellschaft schafft Rechtssicherheit. Andernfalls würde sich – wie der BGH selbst ausführt – im Einzelfall stets die schwierig zu beantwortende Frage anschließen, ab welcher Vermögenslage der Gesellschaft von einer rechtsmängelbegründenden Gefährdung des Bestands der Anteile auszugehen wäre. Eine vertraglich vereinbarte Bilanzgarantie wäre stattdessen sinnvoll.
Fazit: Es empfiehlt sich beim Verkauf von Unternehmensanteilen unverändert, detaillierte vertragliche Regelungen zu treffen – beispielsweise Garantien vorzusehen - und sich nicht allzu sehr auf das Gesetz zu verlassen.
Rechtsanwälte
Dr. Barbara Mayer und
Dr. Moritz Jenne,
Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg
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