Haftung des Insolvenzverwalters

Gegenüber Geschäftsführern und Vorständen von insolventen Gesellschaften ist der Insolvenzverwalter nicht zur Aufrechterhaltung von Haftpflichtversicherungen verpflichtet. Das gilt unabhängig davon, ob er selbst den Geschäftsführer in Anspruch nimmt und ob diese Haftung von der betreffenden Versicherung abgedeckt gewesen wäre.

Der klagende Geschäftsführer war zunächst - berechtigt - durch den Insolvenzverwalter einer GmbH aus § 64 GmbHG in Anspruch genommen worden, da er in der Krise Zahlungen an die GmbH in Höhe von über 2,7 Mio. EUR auf ein debitorisches Konto vereinnahmt hatte. Solche Vereinnahmungen werden nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig als „Zahlungen“ im Sinne des § 64 GmbHG an die Bank angesehen, weil sie letztlich nur der kontoführenden Bank zugutekommen. Bereits zuvor hatte der Insolvenzverwalter kurz nach Verfahrenseröffnung einen D&O-Versicherungsvertrag beendet, den die insolvente GmbH zugunsten des Geschäftsführers abgeschlossen hatte und der die Haftung aus § 64 GmbHG abgedeckt hätte. Der Geschäftsführer erhob daher Widerklage gegen die Klage des Insolvenzverwalters aus § 64 GmbHG mit der Begründung, der Insolvenzverwalter habe dem Geschäftsführer gegenüber die Pflicht verletzt, den Versicherungsvertrag aufrecht zu erhalten. Er verlangte daher vom Insolvenzverwalter Schadensersatz in derselben Höhe, in der er selbst der Insolvenzmasse aus § 64 GmbHG haftete.

BGH, Entscheidung v. 14.4.2016,  IX ZR 161/15

Der BGH hat eine Haftung des Verwalters wegen der Beendigung des Versicherungsvertrags verneint. Der Insolvenzverwalter einer GmbH sei deren Geschäftsführer gegenüber nicht verpflichtet, eine zu dessen Gunsten abgeschlossene Haftpflichtversicherung aufrechtzuerhalten, um ihm eine Freistellung von der Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlungen zu ermöglichen. Dasselbe gelte auch für Vorstände von Aktiengesellschaften. Gegenüber den Organen der insolventen Gesellschaft habe der Insolvenzverwalter nur insoweit insolvenzspezifische Pflichten im Sinne von § 60 InsO zu erfüllen, als sie ihm als Vertreter der Insolvenzschuldnerin oder als Insolvenz- oder Massegläubiger gegenübertreten. Gegenüber den Geschäftsführern/Vorständen persönlich habe der Verwalter keine insolvenzspezifischen Pflichten, deren Verletzung aber Voraussetzung der persönlichen Haftung des Verwalters ist. Solche Pflichten bestünden nur gegenüber dem Schuldner und den Gläubigern der unterschiedlichen Gläubigergruppen. Dementsprechend sei der Verwalter auch nicht verpflichtet, Versicherungen fortzuführen, die nicht zum Zwecke der Obhut und des Erhalts des Schuldnervermögens erforderlich sind. Insbesondere sei er nicht verpflichtet, aus Mitteln der Masse eine von der insolventen Gesellschaft abgeschlossene Haftpflichtversicherung fortzuführen, die Risiken des Geschäftsführers decke. Allenfalls wenn absehbar sei, dass der Geschäftsführer nicht in der Lage sein würde, die Haftungsansprüche zu erfüllen, könnte es im Einzelfall im Interesse der Insolvenzmasse sein, eine Haftpflichtversicherung zugunsten des Geschäftsführers fortzuführen.

Hinweis

Die Entscheidung reiht sich in die bisherige Linie der Rechtsprechung des BGH ein, wonach die Haftung eines Insolvenzverwalters bei der Verfahrensdurchführung – dem Wortlaut der Haftungsvorschrift des § 60 InsO entsprechend – auf Fälle der Verletzung von insolvenzspezifischen Pflichten gegenüber den Beteiligten des Insolvenzverfahrens beschränkt bleiben soll. Auch eine Haftung des Verwalters wegen des Unterlassens der Anfechtung von Zahlungen gegenüber dem Empfänger, für die neben dem Empfänger auch der Geschäftsführer aus § 64 GmbHG haftete, hat der BGH schon abgelehnt. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung rechtlich folgerichtig. Allerdings wirft die Handlungsweise des Insolvenzverwalters, der erst die Versicherung beendet und den Geschäftsführer dann in Anspruch nimmt, durchaus Fragen auf.

So ist z.B. die Frage offen geblieben, wie genau die Beendigung des Versicherungsvertrags erfolgte und ob eine solche Vorgehensweise ggf. als treuwidrig angesehen werden kann. Eine treuwidrige Beendigung könnte schließlich andere Haftungstatbestände des Insolvenzverwalters – außerhalb der InsO – begründen. Ebenso hat der BGH nicht zu der Frage entschieden, ob der Insolvenzverwalter oder die Versicherung verpflichtet sein können, dem betroffenen Geschäftsführer die beabsichtigte Beendigung der Versicherung mitzuteilen. Es könnte dem Geschäftsführer schließlich ermöglicht werden, offene Prämien selbst zu begleichen bzw. den Vertrag selbst fortzusetzen.

Praxistipp

In jedem Fall zeigt die Entscheidung, dass Geschäftsführer und Vorstände hinsichtlich ihrer D&O-Versicherung nicht nur darauf achten sollten, dass diese die Haftung wegen Auszahlungen im Sinne des § 64 GmbHG umfasst. Darüber hinaus sollten für den Fall der Insolvenz der Gesellschaft klare Regelungen zu den Möglichkeiten der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes getroffen werden. Insbesondere muss der Geschäftsführer auf die Möglichkeit achten, die Versicherung - notfalls ohne Zustimmung der Gesellschaft - auf eigene Rechnung fortführen zu können.

Rechtsanwälte Dr. Stefan Lammel und Dr. Ingo Reinke, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, Freiburg