Haftung des Kommanditisten für Gesellschaftsverbindlichkeiten

Die persönliche Haftung des Kommanditisten besteht bei Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es dabei nicht an.

Hintergrund

Über das Vermögen einer Publikumsfondsgesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG („Schuldnerin“) wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Ihr Unternehmensgegenstand war der Erwerb, Betrieb und die Vercharterung eines Tankschiffs, welches der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens veräußerte.

Die Schuldnerin war vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der steuerlichen Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich zur Gewinnermittlung durch Tonnage gewechselt. Das führte bei der Festsetzung der Gewerbesteuer der Beklagten für das Jahr 2014 zu einer Erhöhung des maßgeblichen Gewinns (nämlich um die Differenz zwischen Buchwert und Teilwert des Tankschiffs). Der entsprechende Steuerbescheid erging erst nach Insolvenzeröffnung und wurde im Insolvenzverfahren als Masseverbindlichkeit geltend gemacht.

Der Beklagte, der als Kommanditist an der Schuldnerin beteiligt war, hatte in früheren Jahren Ausschüttungen erhalten, obwohl sein Kapitalanteil im Zeitpunkt der Ausschüttungen jeweils durch Verluste unter den Betrag seiner Haftsumme herabgemindert war. Einen Teil hiervon hatte der Beklagte zwischenzeitlich bereits an die Schuldnerin zurückgezahlt.

Der klagende Insolvenzverwalter der Schuldnerin nahm den Beklagten sowohl aus dessen Außenhaftung als Kommanditist (nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB) sowie daneben auch zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern auf Zahlung der noch offenen Differenz in Anspruch.

Das Urteil des BGH vom 15.12.2020, Az. II ZR 108/19

Die vorliegende Konstellation war insofern besonders, als der Insolvenzverwalter mit seiner Klage zwei getrennte Streitgegenstände – die Außenhaftung als Kommanditist und den Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern – rechtshängig gemacht hatte. Während Eingangsinstanz und Berufungsgericht die Klage in vollem Umfang abgewiesen hatten, verwies der Bundesgerichtshof jedenfalls im Hinblick auf die (Außen-)Haftung des Beklagten gegenüber den Insolvenzgläubigern die Sache an das Berufungsgericht zurück. Im Hinblick auf den Anspruch auf Binnenausgleich der Gesellschafter untereinander blieb es bei der abweisenden Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang zu der in Rechtsprechung und Literatur umstrittenen Frage, ob der Insolvenzverwalter zur Durchführung des Innenausgleichs unter den Gesellschaftern befugt ist, Stellung genommen und eine solche Befugnis verneint. Hierin liegt der erste Erkenntniswert des BGH-Urteils.

Kernfrage: Gewerbesteuerverbindlichkeit hier Gegenstand der Haftung?

Hinsichtlich der Hauptfrage der Außenhaftung des Beklagten als Kommanditisten hatte das Berufungsgericht die zentrale Gewerbesteuerforderung als eine bloße Masseverbindlichkeit klassifiziert, weil sie insolvenzrechtlich gesehen nicht bereits mit dem Wechsel der Gewinnermittlungsart vor der Insolvenzeröffnung, sondern erst mit der steuerauslösenden Veräußerung des Fondsschiffs (= Verwirklichung des Steuertatbestands) durch den Insolvenzverwalter begründet worden sei. Für eine solche Masseverbindlichkeit dürften jedoch die nach § 171, 172 Abs. 4 HGB von Kommanditisten eingezogene Beträge nicht verwendet werden, weil die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters (§ 171 Abs. 2 HGB) voraussetzt, dass die entsprechende Gesellschaftsverbindlichkeit bereits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war.

Nach dem Bundesgerichtshof aber greift diese Überlegung zu kurz. Es komme nicht auf die insolvenzrechtliche Einordnung an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem die Grundlage des Anspruchs gelegt worden sei. Für die Außenhaftung des Kommanditisten reiche es aus, wenn der Grund für die Verbindlichkeit, für die er in Anspruch genommen werden soll, vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt worden sei.  Hierfür müsste der Beklagte schließlich auch als ausgeschiedener Gesellschafter nach § 160 HGB zeitlich beschränkt persönlich haften. Die Interessenlage im Regelinsolvenzverfahren sei ähnlich, weil auch dort der Gesellschafter mit dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter die Möglichkeit verliert, Einfluss auf die weitere Entwicklung der Gesellschaft zu nehmen. Für die Gewerbesteuerforderung folgte hier daraus, dass gesellschaftsrechtlich für den Zeitpunkt ihrer „Begründung“ nicht auf die vollständige Verwirklichung des steuerauslösenden gesetzlichen Besteuerungstatbestands (hier: Verkauf des Tankschiffs durch den Insolvenzverwalter) abzustellen ist, sondern darauf, ob der Grund der Besteuerung zu einem Zeitpunkt gelegt wurde, zu dem der beklagte Kommanditist noch Einfluss nehmen konnte und die Führung der Gesellschaft auch zu seinem Nutzen erfolgte. Das war spätestens mit der Feststellung des Unterschiedsbetrags im Zuge des Wechsels der Gewinnermittlungsart und damit noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegeben.

Haftung des Kommanditisten nur, soweit für Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich

In einem anderen Gesichtspunkt gab der Bundesgerichtshof dem Berufungsgericht indes Recht: Der Insolvenzverwalter konnte den Beklagten als Kommanditisten nur insofern aus dessen offener Einlage in Anspruch nehmen, als dies zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, denen der Beklagte nach §§ 171, 172 HGB haftet, erforderlich war. Eine Haftung des Kommanditisten gegenüber anderen Gesellschaftern auf Rückgewähr von ihnen bereits zurückgezahlter Ausschüttungen, die der Sache nach gerade keine Drittforderungen seien, gibt es dementsprechend nicht. Diese Forderungen anderer Kommanditisten sind, so stellt der BGH klar, keine Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO, sondern erst im Rahmen des sich an die Schlussverteilung anschließenden Innenausgleichs der Gesellschafter zu berücksichtigen.

Praxishinweise

Das Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten ist ein gesellschaftsrechtlicher Klassiker und gewinnt gerade im Insolvenzverfahren der Gesellschaft immer wieder an Bedeutung. Der vom Bundesgerichtshof entschiedene Fall zeigt allerdings, dass jeweils genau zu prüfen ist, welche Ansprüche Gegenstand der Haftung sind und welche nicht, weil es sich etwa um reine Ansprüche auf Innenausgleich handelt. Vorab zu prüfen ist natürlich, ob überhaupt nach erbrachter Leistung der Kommanditeinlage eine haftungsschädliche Einlagenrückgewähr im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB vorliegt. Der Begriff der „Rückzahlung“ der Einlage ist bekanntlich sehr weit auszulegen.

So muss es sich bei einer solchen Rückzahlung nämlich keineswegs um eine echte Zahlung – erst recht nicht um eine tatsächliche „Rück“-Zahlung – handeln. Vielmehr kommt es nach dem maßgeblichen Schutzzweck der Vorschrift zur Haftungsvermeidung darauf an, dass der Kommanditist der Gesellschaft einerseits keine Mittel aus dem gebundenen Vermögen entzieht und ihr darüber hinaus diese Mittel auch gerade als haftendes Kapital belässt. Das letztgenannte Erfordernis bekommt beispielsweise dann Bedeutung, wenn der Kommanditist der Gesellschaft den Betrag seiner Einlage in ein Darlehen (oder eine typische stille Einlage) umwandelt und es deshalb den Gläubigern nicht mehr als haftendes Kapital zur Verfügung steht.

Überdies ist schließlich stets im Blick zu behalten, dass sich der in Anspruch genommene Kommanditist dann, wenn der zur Befriedigung der maßgeblichen Gläubiger erforderliche Betrag bereits durch Zahlungen anderer Kommanditisten aufgebracht werden konnte, entsprechend den allgemeinen Gesamtschuldregeln (§ 422 Abs. 1 S. 1 und § 362 Abs. 1 BGB) auf Erfüllung berufen kann. Damit kann er einer eigenen Inanspruchnahme jedenfalls im Verhältnis zum Insolvenzverwalter entgehen.

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Schlagworte zum Thema:  Insolvenz, Kommanditist, Gesellschafter