Bank muss bei Darlehensberatung auf Gefahren bei wechselkursbasiertem Zinssatz hinweisen
Eine 18.000-Seelen-Gemeinde in Nordrhein-Westphalen wollte im Sommer 2007 ihr noch laufendes Darlehen über rund 3 Millionen Euro ablösen. Sie wandte sich an die Bank ihres Vertrauens, die ihr in mehreren Terminen und Präsentationen verschiedene mögliche Varianten vorstellte.
Darlehensvertrag mit komplizierter wechselkursabhängiger Zinsgestaltung
Die Gemeinde entschied sich für einen Darlehensvertrag über eine Laufzeit von 38 Jahren. Der Zinssatz wurde wechselkursabhängig gestaltet.
- In den ersten 20 Jahren sollte der Zinssatz 3,99 % im Jahr betragen, wenn der Wechselkurs des Euro (EUR) zum Schweizer Franken (CHF) größer oder gleich 1,43 liegt.
- Sobald der Euro unter diese Grenze fällt, sollte der jährliche Zinssatz 3,99 % zuzüglich der Hälfte der Wechselkursänderung zu 1,43 betragen.
- Die Wechselkursänderung, dargestellt in Prozent, sollte sich dabei aus der Division des Referenzwechselkurses von 1,43 CHF für 1 EUR und dem am Feststellungstag veröffentlichten Wechselkurs des Euro in Schweizer Franken minus 1 errechnen.
Die kniffelige Zinsformel wurde von beiden Seiten verstanden, jedenfalls gab es über die jeweils errechnete Zinshöhe zu keinem Zeitpunkt Streit.
Risiko wechselkursabhängiger Zinsen realisierte sich
Es kam wie es kommen musste, obgleich keine der Parteien dies bei Vertragsabschluss voraussah. Schon nach kurzer Zeit sank der Wechselkurs des EUR zum CHF dauerhaft unter die 1,43–Schwelle.
- Die Zinsen stiegen explosionsartig, zuletzt auf 18,99 % pro Jahr
- und waren damit um ein Mehrfaches höher als die allgemein zu dieser Zeit von öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu zahlenden Zinsen.
- Das war der Punkt, an dem die Gemeinde die Reißleine und vor die Gerichte zog.
Gemeinde verlangt Vertragsauflösung und Schadensersatz
Die Kommune stellte viele Klageanträge. Sie wollte
- am liebsten den gesamten Darlehensvertrag wegen wucherischer Zinsen rückabgewickelt sehen,
- hilfsweise niedrigere, marktübliche Zinsen zahlen,
- hilfsweise die Bank zum Abschluss eines neuen Darlehensvertrags mit angepasster Zinsregelung verurteilt wissen,
- hilfsweise das Gericht einen angemessenen Zinssatz aufstellen lassen und schließlich
- Schadensersatz, insbesondere in Höhe der außergerichtlichen Anwaltskosten über ca. 73.000 Euro.
Die vielen Klageanträge brachten in erster und zweiter Instanz nichts als weitere Spesen. Erst die BGH-Richter hatten mit der Gemeinde ein Nachsehen, zumindest ein teilweises.
Vertrag ist nicht sittenwidrig, sondern hat Bestand
Der abgeschlossene Darlehensvertrag ist nach einhelliger Ansicht aller drei Instanzen nicht sittenwidrig, weil wucherisch und damit auch nicht nichtig. Es sei, so der BGH, nicht auf den hohen späteren, sondern auf den Zins bei Vertragsabschluss abzustellen. Der aber lag seinerzeit sogar unter dem marktüblichen Wert.
Beratungsfehler ziehen Schadensersatzansprüche nach sich
Die BGH-Richter gaben der Gemeinde aber hinsichtlich der unzureichenden Aufklärung Recht.
Die Bank ist verpflichtet über die spezifischen Nachteile und Risiken und die vertragsspezifischen Besonderheiten der empfohlenen Finanzierungsform aufzuklären. |
Konkret monierten die BGH-Richter in diesem Fall, dass die Bank
- nicht ausdrücklich auf die fehlende Zinsobergrenze hingewiesen hatte;
- mit Blick auf die lange Laufzeit nicht deutlich genug aufgezeigt hätte, dass auch schonr bei einer unerheblichen Aufwertung des Schweizer Franken die Zinsen massiv und auf Dauer steigen können.
Der Beratungsfehler löst „nur“ Schadensersatz aus und hat nicht etwa die Vertragsrückabwicklung zur Folge. Mit diesem Urteil spielte der BGH den Fall an die Vorinstanz zurück. Dem Kammergericht obliegt es jetzt für die Berechnung des Schadensersatzes die Mehrkosten der gewählten Finanzierungsform ermitteln.
(BGH, Urteil v. 19.12.2017, XI ZR 152/17).
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