Keine Untersagung einer Hauptversammlung aufgrund der Pandemie durch vorläufigen Rechtsschutz

Versammlungsverbote und Schutz der Teilnehmer stehen Präsenzversammlung aktuell entgegen
Im Wege des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens begehrte der sich selbst als „kritischer Aktionär“ bezeichnende Antragssteller die Verpflichtung der Stadt Frankfurt a. M. zum Erlass einer ordnungsbehördlichen Verfügung mit dem Ziel, die für Ende Mai geplante, aber noch nicht einberufene ordentliche Hauptversammlung einer Bank zu untersagen. Zudem beantragte er, die sofortige Vollziehung der Verfügung anzuordnen. Aufgrund der COVID-19-Pandemie und mit Blick auf den Schutz der Teilnehmer seien sämtliche Großveranstaltungen und insbesondere Hauptversammlungen mit sofortiger Wirkung zu verbieten. Die technischen und örtlichen Gegebenheiten vor Ort würden eine dem Gesundheitsschutz Rechnung tragende Durchführung der Hauptversammlung nicht zulassen.
Der Beschluss des VG Frankfurt vom 26.03.2020 (Az. 5 L 744/20.F)
Der Antragsteller hatte mit seinem Eilantrag keinen Erfolg: Der Antrag wurde vollständig abgelehnt. Schon an den Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Vorwegnahme der Hauptsache durch Erlass einer endgültigen und sofort vollziehbaren Untersagungsverfügung zweifelte das VG. Jedenfalls fehle es aber am Anordnungsgrund. Das Gericht betonte dabei zwar zunächst, dass gemäß den Leitlinien des Robert-Koch-Instituts der vorrangigen Gesundheitssicherheit der Bevölkerung Rechnung zu tragen sei. Der Antragsteller habe aber schon nicht glaubhaft gemacht, dass die beigeladene Aktiengesellschaft bei unveränderter Risikobewertung der COVID-19-Pandemie ihre Hauptversammlung (als reine Präsenzversammlung) durchführen werde und ausschließlich die Untersagung der Durchführung seinem Rechtsschutzbegehren Rechnung tragen könne. Eine abschließende Entscheidung über die Einberufung und die Art und Weise der Durchführung läge noch gar nicht vor.
Darüber hinaus verwies die Kammer neben den vorhandenen Satzungsregelungen zur Online-Teilnahme der Aktionäre eingehend auf die jüngst verabschiedeten Erleichterungen für die Durchführung von Hauptversammlungen nach dem „Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ (im Folgenden: „COVID-19- Gesetz“).
Im Übrigen stellte das Gericht klar, dass weder das Infektionsschutzgesetz als Teil des Gefahrenabwehrrechts noch das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren der Durchsetzung von Aktionärsinteressen diene.
Anmerkung
Die Entscheidung des VG Frankfurt ist zu begrüßen.
Zum einen schiebt das Gericht querulatorischen Versuchen, die Durchführung von – wohlgemerkt im konkreten Fall noch nicht einmal einberufenen – Hauptversammlungen im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes zu erschweren, einen Riegel vor.
Zum anderen weist das Gericht zutreffend auf die vielfach schon vorhandenen Satzungsregelungen zur Ermöglichung einer Online-Teilnahme der Aktionäre sowie auf die Erleichterungen des COVID-19-Gesetzes hin. Bereits nach bisherigem Recht kann Aktionären die Online-Teilnahme an einer Hauptversammlung ermöglicht werden, wenn die Satzung dies vorsieht. Nach dem COVID-19-Gesetz kann der Vorstand sogar ohne eine derartige Ermächtigung durch die Satzung oder eine Geschäftsordnung über die elektronische Teilnahme der Aktionäre entscheiden. Darüber hinaus wird dem Vorstand (mit Zustimmung des Aufsichtsrats) nach § 1 Abs. 2 COVID-19-Gesetz die Möglichkeit eingeräumt, eine Hauptversammlung gänzlich ohne physische Präsenz der Aktionäre abzuhalten (sog. „virtuelle Hauptversammlung“). Voraussetzung hierfür ist, dass
- die Bild- und Tonübertragung der gesamten Versammlung erfolgt,
- die Stimmrechtsausübung der Aktionäre über elektronische Kommunikation (Briefwahl oder elektronische Teilnahme) sowie Vollmachtserteilung möglich ist,
- den Aktionären eine Fragemöglichkeit im Wege der elektronischen Kommunikation eingeräumt wird, und dass
- die Aktionäre die Möglichkeit erhalten, gegen Beschlüsse der Hauptversammlung elektronischen Widerspruch zu erheben.
Nach dem COVID-19-Gesetz kann der Vorstand vorgeben, dass Fragen der Aktionäre bis spätestens zwei Tage vor der Versammlung im Wege elektronischer Kommunikation einzureichen sind. Es liegt dann im „pflichtgemäßem, freien Ermessen“ des Vorstands, welche Fragen aus dem Aktionärskreis er wie beantwortet.
Entsprechend der Entscheidung des VG Frankfurt gibt es keine Veranlassung, Hauptversammlungen während der Krise generell abzusagen. Stattdessen sollten die Aktiengesellschaften von den nach dem COVID-19-Gesetz eröffneten Möglichkeiten Gebrauch machen. Die Sorge vor Anfechtungsrisiken, bspw. wegen unvorhergesehener Übertragungsfehler, ist unbegründet: Das Gesetz sieht einen weitrechenden Ausschluss der einschlägigen Anfechtungsrechte vor (insbesondere wegen Verstößen gegen § 1 Abs. 2 COVID-19-Gesetz), sofern dem Vorstand kein Vorsatz vorzuwerfen ist.
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